DIES + DAS
Neben den Hausrat, hatte es damals, wie heute, eine Unzahl an Gebrauchsgegenständen im Haus. Diesen Kleinkram, aus Taschen, Kästen, Truhen und von Ablagen, können naturgemäß, die nur zwei archäologischen Grabungen nicht in ganzer Vielfalt, zurück ans Licht bringen. Vieles hat die Zeit im Boden nicht überdauert, oder ist einfach noch nicht ergraben. So greifen wir auch hier, falls örtliche Funde ausbleiben, zur Rekonstruktion, auf Funde andere Grabungen sowie Bild- und Textquellen zurück.
Wobei gerade Bildquellen als einzige Rekonstruktionsgrundlage bei Sachgütern durch die in künstlerischer Tradition beibehaltene Formen, vereinfachte Darstellung und das übertragen von Material auf z.B. holz-, glas-, oder metallspezifische Formen nur bedingt geeignet sind (1).
Spielbrett "Tric Trac", Nadelholz
Nach einem Fund aus Freiburg/Br.. Zeitlich leider nicht genau einzugrenzen. Bei diesem Brett mit "nur“ eingeritzten Spielfeldern dürfe es sich wohl um ein zum kurzfristigen Gebrauch (2) oder für einen einfachen Haushalt gefertigtes Spielbrett gehandelt haben. Entsprechend eingeteilte Spielbretter, in den unterschiedlichsten Qualitäten, zeigen viele mittelalterlichen Miniaturen diesen Vorläufer des Backgammon (3).
Runder Beutel, Lammleder (Zugband = Leinen)
Solche, aus einem rund ausgeschnittenem Lederstück gefertigten, Beutel dürften u.a. zum verwahren von Geld, Schmuck und anderen Kleinigkeiten verwendung gefunden haben. Der hier gezeigt Beutel ist nach einem Fund aus Schleswig gefertigt. Dort lassen sich solche Beutel ab dem 13. Jh. nachweisen. In Oslo für das 12./13. Jh. und für Novgorod für das 12./ 15. Jahrhundert (4). Das im Fund nicht mehr vorhandenen Zugband wurde hier durch ein Fingerschlaufenflechtband ergänzt.
Nadeln, Messing
In jedem Haushalt fielen täglich Näharbeiten an, die mit solchen Näh- und Stecknadeln bewältigt worden sein dürften (5). Die hier gezeigten Nähnadeln mit langem Öhr sind z.B. in London von der 2. Hälfte des 12. Jh. bis in die Mitte des 15. Jh. nachweisbar, dort überwiegend aus einer Kupferlegierungen (6) und seltener aus Eisen (7). Die Stecknageln mit Kugelkopf entsprechend Funden aus Freiberg/Sachsen (8) und Konstanz des 14./15. Jahrhunderts (5), allesamt aus Messing.
Garnrollen, Laubholz
Die hier gezeigten Garnspulen sind nach Funden aus London (2. Hälfte 12. Jh.) gefertigt (10). Inwiefern sich solche Spulen bis zu Beginn des 14. Jahrhunderts überliefert haben bedarf noch der Klärung. Als sicher kann nur angenommen werden das Garnspulen, egal welchen Typs, als Utensil des häuslichen Handwerks in jedem Haushalt zu finden waren.
Bügelschere, Eisen (Etuit = Ziegenleder)
Nach einem Fund aus dem 13. Jahrhundert aus Schleswig. Bügelscheren bleiben bis in die Gegenwart gebräuchlich, letztlich allerdings nur noch in der Schafschur (11). Das hier verwendete Etui variiert, in einfacherer, unverzierter, Ausführung Messerscheiden mit rechteckigem Abschluss wie sie u.a. für Konstanz, dort mit Gittermuster, aus dem 13. bis 15. Jh. (12) und Schleswig, mit zipfeligem Randdekor (13), nachweisbar sind.
Langzinken- oder Steilkamm, Knochen
In ihren verschiedenen Ausformungen stellen Kämme aus Knochen einen Massenartikel des Mittelalters dar, Steilkämme verstärkt seit dem 13. Jahrhundert (14). In Freiberg/Sachsen z.B. datiert zwei dort gefundene Kämme auf die Zeit zwischen Ende 12. und Ende 14. Jahrhundert (15), in Braunschweig ein Kamm in das 13. Jh., dort als Webkamm bezeichnet (16). Auch die in Aschaffenburg gefundenen Steilkämme aus den 14. Jh. werden dort der Wollverarbeitung zugeschrieben (17).
Nietbrille, Buchsbaum
Die Brille, in Italien erfunden (18), war in Venedig bereits Ende des 13. Jahrhunderts sehr verbreitet (19). In Deutschland finden sich Nietbrillen im klerikalen Bereich u.a. datiert für das 13./14. Jahrhundert in Lüneburg und für um 1350 in Wienhausen, im städtischen Umfeld in Zwolle oder Konstanz. In Freiburg zeigen sich zwei verschieden Arten die Gläser zu fassen. Zum einen eine konische Rille in der Fassung, zum anderen einen Rand auf der Innenseite der das eingekleben oder das fixieren des Glases mit einem Ring ermöglicht (20). Neben den hölzernen Freiburger Brillengestellen mit gebogenem Stiel finden sich, leider undatiert, ein Fragment in Konstanz (21) und aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts in London (22) mir geradem Stiel, beide aus Knochen gefertigt. In der hier gezeigten Brille gibt die Variante mit konischer Rille wieder. Damit die Gläser eingesetzt werden können ist das Gestell aufgesägt und, sind die Gläser eingesetzt, mit einer Schnürung verschlossen.
Wachstafeldiptychon mit Stylus, Laubholz (Füllung = geschwärztes Wachs, Stylus = Knochen)
Nach einem Fragment aus Freiburg/Br. als zweiteiliges sog. Diptychon rekonstruiert. Größe und Erscheinungsbild unterschied sich stark. Allein im Freiburger Fundgut variiert ihre Höhe zwischen 5 und 20 cm. Neben einteiligen Exemplaren mit Griff und ohne Griff finden sich auch mehrteilige Wachstafelbücher, dann als Polyptichon bezeichnet (23). Der Stylus (Griffel), entsprechend einem Würzburger Fund, gibt eine Form mit langer Laufzeit wieder (24) der dort nicht näher eingegrenzt ins Hoch-, evtl. ins Spätmittelalter datiert wird (25). Vergleichbar ausgeformte Styli finden sich z.B. aus der 2. Hälfte 12. Jh., in London, dort aus Blei (26) und aus Eisen in Sindelfingen aus der Mitte des 14. Jahrhunderts (27). Geschrieben wurde mit dem Griffel in das in die Vertiefung der Holztafel gefüllte Wachs. Vor neuen Eintragungen musste das Wachs lediglich mit der Rückseite des Griffels abgeschabt werden. Das schreiben auf Wachstafeln war bereits in der Antike bekannt und hielt sich bis in die Neuzeit (28).
Wachstafeln mit Stylus, Laubholz (Füllung = geschwärztes Wachs, Stylus = Knochen)
Wie schon das Diptychon ist dieses einteilige Exemplare mit einem herzförmigen Griff nach einem Fund aus Freiburg/Br. gefertigt. Bei solch kleinen Tafeln, hier 70 x 35 mm, fixierte man den Griff zwischen den Fingern oder hielt ihn gedrückt (29). Leider entzieht sich die hier als Vorlage dienende Freiburger Wachstafel der genauen Datierung, so dass diese Tafel hier nur als Beispiel für deren Formenvielfalt stehen soll.
Handheller, Silber
Auch Händleinheller oder Händlheller, bezeichnet eine, ab etwa um 1200, ursprünglich in Hall (Schwaben) geschlagenen Pfennigmünze, den "Haller" oder "Heller". Namensgebend war die Darstellung der offenen Handfläche auf dem Münzbild. Da der Handheller später auch an andern Münzstätten geschlagen wurde, mussten diese ab 1356 durch ein Zeichen in der Handfläche gekennzeichnet sein. Im Westen konnte er sich er sich bis nach Aachen verbreitet, im Osten bis an den Frankenwald (30). Schon in der zweiten Hälfte des 13. Jh. hatte er die Nürnberger Münzen zunehmend verdrängt und 1376 wurde dann auch in Nürnberg das schlagen von Handhellern vorgeschrieben (31). Die hier gezeigten Heller dürften ihren Merkmalen nach zwischen der Mitte des 13. Jahrhunderts und 1356 geschlagen worden sein.
Paternoster, Beinperlen; Quasten aus Wolle
Solche Gebetsschnüre wurden seit dem 13. Jahrhundert von Personen aller Stände (sicher auch in Bayreuth) offen getragen und dienten als Zählhilfe beim beten. Bevor sie vom heute gebräuchlichen Rosenkranz abgelöst wurden, waren sie noch bis ins frühen 16. Jh. in den verschiedensten Ausführungen nebeneinander in Gebrauch. Schlichte, durchgehend mit gleichgroßen Perlen neben solchen, durch z.B. größere Perlen (oben im Bild) unterteilte Gebetsschnüre. Ebenso war die Länge uneinheitlich. Während kurze Ketten (10 – 25 Perlen) von Männern genutzt wurden und Ketten mit bis zu 150 Perlen ausschließlich von Frauen, waren Ketten mit 25 – 50 Perlen am häufigsten vertreten. Dabei waren Bein (Knochen) und Holz die am häufigsten zu Paternosterperlen verarbeitete Materialien. Gleichzeitig waren die Paternoster (32) aber auch Statussymbol. So konnten die Perlen auch aus wertvollen Materialien gefertigt sein, z. B. Gold, Silber, Koralle, Bernstein, Gagat, oder Glas entsprechen der verschiedenen Gesellschaftsschichten (33). Hier (unten im Bild) ein Bespiel mit 10 krappgefärbte (34) Bein- und zwei Bernsteinperlen.
Umhänge-/Pilgertaschen
Solche Taschen finden sich vielfach in Iluminationen mittelalterlicher Handschriften (35). Ob aus Leinentuch oder Leder, waren sie, über der Schulter getragen, neben Stab, Hut und Flasche, Teil der Pilgertracht (36) und ihnen scheinbar vorbehalten.
In ihnen fand der Proviant für die anstehende Etappe seinen Platz. Ebenso die Dokumente (Pilgerpass, Schutz- und Geleitbrief und ggf. auch Beichtbrief), die der Pilger vor Abreise und am Zielort ausgestellt bekam (37).
Umhänge-/Pilgertaschen aus Tuch, wie hier im oberen Bild, finden sich leider nur in der mittelalterlichen Kunst. Dort wird sie häufig, wie hier gezeigt, rechteckig mit rechteckiger Klappe dargestellt. Aber auch trapezförmig. In Weiß (Leinen?), aber auch in bunt (Wolle?). Verschlossen zeigen sie sich ebenso mit dreieckigen oder halbrunden Klappen.
Die lederne Tasche im unteren Bild, basiert auf einem Fund aus Stein am Rhein (Kanton Schaffhausen, Schweiz), datiert auf die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts und wird nur mit Vorsicht als Pilgertasche angesprochen (38).
Ihre geringe Größe von rund 16 x 18 cm, lässt uns vermuten das in ihr wohl nur die für eine (Pilger)Reise nötigen Papiere verwahrt wurden.
Schulter-/Tragetasche (Leinen)
Diese Art Taschen lässt sich, mindestens seit dem 13. Jahrhundert (39) und über das Mittelalter hinaus fassen. Leider nur über Iluminationen in Handschriften und an Skulpturen. Sie werden fast ausnahmslos in weiß dargestellt. Das und ihr Verwendungszweck legt nahe, das sie aus Leinentuch gefertigt waren. In Form entsprechen sie einem zu langen, an beiden Enden verschlossenen Sack. Befüllt wurden sie über einen Längsschlitz in der Mitte (40), gleichmäßig zu beiden Enden hin. Hebt man die gefüllte Tasche dann in der Mitte an, rutscht der Inhalt beider Seiten jeweils nach unten zusammen und der Schlitz verschließt sich. Getragen wurden solche Taschen primär über die Schulter gelegt (41). Vereinzelt sieht man sie auch an einem (geschulterten) Stock hängend (42) oder in der Hand getragen. Denkbar wäre, den Bildquellen entsprechen, wohl die Verwendung als Reisegepäck, zum Transport von Waren oder als Tasche für den täglichen Bedarf (z.B. Wegzehrung oder Werkzeug).
Kerbhölzer
Kerbhölzer lassen sich seit dem 11. Jahrhundert im mittelalterlichen Europa fassen. Zuerst in England und auf dem nordwestlichen Festland. Ab dem späten 13. Jahrhundert dann im Hanseraum und ab dem 14. Jahrhundert, sich stetig weiter verbreitend, in ganz Mitteleuropas. In Gebrauch blieben sie bis ins 20. Jahrhundert (43).
Verwendung fanden sie, unter vielem anderem, im herrschaftlichen Versorgungs- und Ausgabewesen. Ebenso in der Verwaltung der Städte, in den Zünften und den Gewerben. Auch beim erheben von Steuern und Zöllen, der Erfassung von Arbeitsleistung/-zeit und besonders beim Borg-/Kreditkauf. Letzteres auch beim privaten Einkauf oder im Wirtshausbesuch (44).
Die Kerbhölzer bestanden meist aus leicht zu bearbeitenden Holzarten. Es gab sie, ein- oder zweiteilig, auch bis zu einem Meter lang. Vom grob zugerichteten Stock mit regelloser Ritzungen, bis hin zu qualitätvoll gefertigten zweiteiligen Stücken, längs gespalten und unzweifelhaft zusammengehörig, mit regelrecht normierten Kerben, Zeichen und, auch ausführlicher, Beschriftung (45). Die einteiligen Hölzer, die Zählstöcke, dienten allein als Merkhilfe. Die zweiteiligen Doppel- oder Paarkerbhölzer dagegen, zwei Parteien als Dokument über Kredit oder Schuld (46). Eine Kerbe steht dabei für eine, allen Beteiligten bekannte Einheit, wie etwa Stück, Paar, Dutzend usw. oder für maßgebundene Menge wie z.B. Eimer, Korb, Bündel. Aber auch für Tag oder Woche Arbeit uvm. (47).
1) Felgenhauer-Schmiedt 1993, S. 99ff.
2) Müller 1995, S. 196f.
3) Für den Anfang des 14. Jahrhunderts z.B. in: Große Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse), 1305-40, fol. 262v
4) Schnack 1998, S. 63
5) Niederfeilner 2004, S. 79
6) Zu den einzelnen Nadeln ist als Material nur "Kupferlegierung" angegeben. Kupferlegierungen sind Messing, eine Kupfer/Zink-Legierung und Bronze, eine Kupfer/ Zinn-Legierung.
7) Egan 1998 S. 267ff.
8) Niederfeilner 2004, S. 79
9) Oexle 1992-93, S. 434
10) Egan 1998 S. 270
11) Saggau 2000, S. 35
12) Schnack 1994, S. 40
13) Schnack 1998, S. 27
14) Niederfeilner 2004, S. 79
15) Niederfeilner 2004, S. 103
16) May 1997, S. 310
17) Ermischer 1997, S. 243
18) Frugoni 2003, S. 9
19) Eine Verordnung an die Verarbeiter von Glas und Kristal, die sich gegen den Betrug beim Handel mit u.a. "runde Scheiben für die Augen" richtete, deutet darauf hin.In: Frugoni, Chiara: Das Mittelalter auf der Nase. Brillen, Bücher, Bankgeschäfte und andere Erfindungen des Mittelalters. München 2003, S. 20
20) Müller 1995, S. 301
21) Erath1996, S. 189
22) Egan 1998, S. 276f.
23) Müller 1995, S. 300
24) Hembach 2003, Texte S. 103
25) Hembach 2003, Katalog S. 63
26Egan 1998, S. 270f.
27) Scholkmann 1992-93, S. 196
28) Herzog 1997, S. 86
29) U. Müller 1995, S. 300
30) F. v. Schrötter 1970, S. 259f.
31) G. Stumpf 1997, S. 75. Dort finden sich auch folgende Preise für die Zeit um 1300 aus München: 1Pfund Rindfleisch - 1/2 Pfennig, 1 Huhn - 2 Pfennig, 100 Eier - 10 Pfennig.
32) lat. pater noster = Vater unser
33) Sptizer 2006, S 360 ff.
34) Alle hier verwendeten roten Perlen sind krappgefärbte Beinperlen
35) Hier als Beispiele:
- Lausanne, Bibliothèque cantonale et universitaire - Lausanne, U 964: Biblia Porta (ca. 1270). Folio 172v.
- The Morgan Library & Museum: Bible historiale (Paris, ca. 1325). MS M.323 II, fol. 275r.
36) Kühnel 1996, S. 104
37) Bayrisches Nationalmuseum und Adalbert Stifter Verein 1984, S. 18.
38) Volken, Serge und Marquita, 2006, S. 137.
39) Oscott Psalter, 1265-70, Folio 13 recto.
40) Hours of Charlotte of Savoy, Pierpont Morgan Library, MS M. 1004, 1420-1425, Folio 3 verso.
URL.: http://corsair.themorgan.org/vwebv/holdingsInfo?bibId=275260. Stand 11. Februar 2023.
41) Hours of Adélaïde de Savoie, Bibliothèque et archives du musée Condé, MS 76, 1460-65, Folio 4 recto.
URL: https://www.photo.rmn.fr/CS.aspx?VP3=SearchResult&VBID=2CMFCIXISB1B1B&SMLS=1&RW=1512&RH=831. Stand 11. Februar 2023.
42) Luttrell Psalter, British library, British Library, Add MS 42130, 1325-40, Folio 88 verso.
URL: https://www.bl.uk/manuscripts/FullDisplay.aspx?ref=Add_MS_42130&index=2. Stand 11. Februar 2023.
43) Kuchenbuch 2002, Ludolf, S. 471f.
44) Ebd. 2002, S. 485ff.
45) Ebd. 2002, S. 476.
46) Ebd. 2002, S. 470.
47) Ebd. 2002, S. 480.