Kruselerpüppchen der Sammlung Spannrad - Vielleicht aus Nürnberg?
Bayreuth, 8. Juni 2025
Man ist nur so klug wie das letzte (Fach-)Buch einen gemacht hat. Diesmal bezüglich des Kruselerpüppchens aus der Sammlung Spannrad, das wir euch HIER im Blog unter FUNDE vorgestellt haben. Wenn ihr euch erinnert, zu dem Püppchen gibt es eigentlich keinerlei Informationen. Noch nicht mal, wo es gefunden wurde.
Aber jetzt hat uns da die Lektüre von "Mode aus Modeln - Kruseler- und andere Tonfiguren des 14. bis 16. Jahrhunderts aus dem Germanischen Nationalmuseum und anderen Sammlungen" zumindest etwas weitergeholfen. Der Titel beschreibt nämlich solche Püppchen in all ihren Varianten als "nur" zwischen der Mitte des 14. Jahrhunderts und dem ersten Drittel des 15. Jahrhunderts vorkommend. Also in etwa zwischen 1350 und 1435. Der Risenkruseler den das Püppchen der Sammlung Spannrad trägt, taucht dabei aber erst um 1370 in der Mode der Zeit auf. Was auch dessen möglichen Herstellungszeitraum noch etwas mehr eingrenzt.
Daneben kann man eventuell sogar eine Vermutung bezüglich seiner Herkunft anstellen. Und zwar über die Verzierung der Kleider, die die Püppchen tragen. Üblicherweise, fast standardmäßig, ist dass eine vertikale Reihe kreisrunder Medaillons. Abweichend davon und seltener gibt es auch Beispiele für Kleider, die wie geknöpft erscheinen, oder Kleider, die wie beim Spannrad-Püppchen, mit einer vertikalen Vierpassreihe (Borte?) verziert sind. Letztere gehäuft unter den Nürnberger Funden von Püppchen mit Risenkruseler, aus der Sammlung des GNM*.
Beides zusammen legt nahe, dass das Kruselerpüppchen der Sammlung Spannrad, mit aller gebotenen Vorsicht, zwischen etwa 1370 und 1435 zu datieren ist und eine deutliche Verwandtschaft zu einem Typ aufweist, der gehäuft in Nürnberg gefundenen wurde. Mehr aber auch nicht. Auch nicht, ob das Figürchen aus der Sammlung Spannrad ein in Nürnberger gemachter Fund ist oder es gar aus einer Nürnberger Werkstatt stammt.
Aber auf jeden Fall haben wir aber unseren Blogbeitrag unter FUNDE und unser PDF "Die mittelalterliche Keramik der Sammlung Xaver Spanrad" das ihr HIER unter AUFSÄTZE im Kapitel ANHANG herunterladen könnt, diesbezüglich aktualisiert.
*Germanisches Nationalmuseum Nrnberg
Quelle/Literatur:
Grönke, Eveline und Weinlich, Edgar: Mode aus Modeln - Kruseler- und andere Tonfiguren des 14. bis 16. Jahrhunderts aus dem Germanischen Nationalmuseum und anderen Sammlungen. Nürnberg 1998.
Spätmittelalterliche Bohlenstube - Die Holzkiste im Haus
Bayreuth, 1. Juni 2025
Weitergehen soll unsere lose Serie zum Thema Wohnen in einem spätmittelalterlichen Haus, nach Kachelofen und Küche (siehe HIER im BLOG unter WOHNEN + CO) mit der Stube. Einem Wohnraum im Haus, der mittels eines von außen (meist von der Küche her) betriebenen Ofens rauchfrei beheizt werden kann. So die Volkskunde (1). Geholfen hat uns dabei ein ganz wunderbarer Artikel von Konrad Pedal (2), dem wir hiermit folgen wollen.
Also: Zurückverfolgen kann man die Stube bzw. das Wort „stuba“ bis ins 7. Jahrhundert, im Lex Alemannorum. Allerdings bleibt die Funktion der „stuba“ dort unerwähnt. Das ändert sich erst im späten 11. und dem 12. Jahrhundert. Dann nämlich findet man in Quellen mit kirchlich-klösterlichem Kontext, das Wort „stuba“, für einen beheizbaren Raum. Gemeint war damit wohl eher ein Aufenthaltsraum.
Im profanen Hausbau setzt der archivalische Nachweis für Stuben erst nach 1200 und verstärkt ab 1250 ein. Dabei hauptsächlich in den oberdeutschen Städten (3). Was jedoch nicht heißen soll, dass die Wohnstube als solches nicht doch viel älter sein kann als die Schriftquellen verraten. Auf jeden Fall kann man davon ausgehen dass sie ab dem Jahr 1300 im städtischen wie auch im bäuerlichen Hausbau gleichermaßen üblich war. Dabei liegt der bisher älteste Baubeleg für so eine hölzerne Stube bei 1264 in Regensburg. Diese hölzernen Stuben kann man sich tatsächlich wie eine Holzkiste vorstellen. Wände, Decke und Boden sind allesamt aus Holz gefertigt aber natürlich mit Tür, Fenstern und eben einem Heizofen versehen. Dabei können die Stubenwände, Balken auf Balken, als Blockbau ausgeführt sein. Solche Stuben findet man, wie eingeschoben, in ansonsten anders gebauten Häusern. Sei es ein Steinbau oder ein Fachwerkhaus.
Alternativ können die Wände dieser „Holzkiste“ auch aus Bohlen, relativ dicke und breite Bretter, gefertigt sein, welche dann wie Gefache in das Balkenwerk der Fachwerkkonstruktion eingenutet werden und damit Teil der Fachwerkwand selbst sind. Hölzerne Gefache sozusagen. Welche dann wiederum an der Aussenseite noch mit Strohlehm verputzt sein konnten, was um 1400 wohl schon Standard war.
Daneben wiederum, gab es noch, wenn auch selten, noch Wohnstuben mit sogenannten Spundwänden. Hierbei wurden die Gefache des Fachwerks mit senkrecht stehenden dicken und beidseitig genuteten Bohlen, die sich mit darin eigenuteten Bretter abwechselten, geschlossen.
Die Stubendecken bestanden in ihrer einfachsten Form und dass zurück bis ins 12. Jahrhundert, aus den Balken der Fachwerkkonstruktion auf welche Bohlen aufgelegt waren. Diese bildeten dabei nicht nur die Stubendecke selbst, sondern auch den Unterbau des Fußbodens der darüberliegenden Etage.
Eine weitere Art der Stubendecke waren die sogenannten Spunddecken. Auch hier lösen sich, wie bei der Spundwand, dicke Bohlen die beidseitig genutet sind mit dünneren, darin eingenutete Bretter ab. Es gab sie als Einheit aus den tragenden Balken des Fachwerks und darin eingenuteten Brettern , aber auch als eigenständige, unter den Balken „hängende“ Decke. Letztere findet sich nicht nur als gerade, sondern auch als seitlich geschrägte (besonders im 14. und 15. Jahrhundert) und als gewölbte Spunddecke. Natürlich konnten solche Decken und Wände auch verziert sein. Schnitzereien und Bemalungen lassen sich hier nachweisen. Letzteres allerdings erst nach 1500 (4). Schnitzereien dagegen bereits ab der Zeit um 1400.
Licht kam zu Anfang durch, oft mehrere, relativ kleine Fensteröffnungen in den Bohlen in die Stube. Nachweisbar seit Beginn des 14. Jahrhunderts. Um 1400 herum, lassen sich in den Bohlenstuben dann auch Fenster mit eigenem Fensterstock finden. Nach 1400 aufkommend und um 1450 üblich waren auch sogenannte Fenstererker. Hierbei trägt ein, um etwa balkendick aus der Fassade vorkragender sog. Fensterriegel den Fensterstock oder ein Fensterband (mehrere Fenster nebeneinander).
Die Stube im städtischen Wohnhaus befand sich üblicherweise in einer der zur Gasse oder zu einem Platz hinweisenden Hausecken, egal ob im Erdgeschoss oder in einem der Obergeschosse. Daneben, befand sich der Flur durch welchen die Stube, sowie auch alle anderen Räume der Etage, erschlossen waren. Hinter der Stube, quasi Wand an Wand und ebenso durch den Flur zu betreten, befand sich üblicherweise die Küche. Aus ihr heraus wurde (siehe ebenfalls HIER im BLOG unter WOHNEN + CO), spätestens seit der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, der Stubenofen betrieben und damit die Stube komplett rauchfrei beheizt (5). Es blieb aber nicht immer bei nur einer Stube bleiben. Auch Häuser mit mehreren Stuben sind bekannt. Diese können sich dann auf einer, oder über mehrere Etagen verteilen. So zum Beispiel im 13./14. Jahrhundert in Regensburg. Hier lag die eigentliche Wohnstube eher gassenseitig, die zweite dagegen hofseitig im Gebäude. Überliefert sind diesbezüglich beispielsweise Feststuben, Schreibstuben, (tatsächlich) Badstuben und Austragsstuben. War ein Haus stockwerksweise vermietet, hatte natürlich jede Wohnung auf ihrer Etage eine Stube. Zwei sehr schöne Beispiele für solche Stuben kann man übrigens, wen wundert’s, im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim besichtigen. Dies sind die Stube im sogenannten Kleinen Bürgerhaus aus Wolframs Eschenbach von 1410 und die sogenannte Fest- oder Prunkstube im nebenan stehenden Hinterhaus aus Eichstätt von 1322. Beide Gebäude findet man in der Baugruppe Stadt.
Aber leider zeigen die Bohlenstuben dort, ihre vormalige Einrichtung nicht in Gänze. Dafür bedarf es der zeitgenössischen Kunst. In diesen Fall "Die Spinnstube" von Barthel Beham. Zwar ist dieser Holzdruck erst um 1524 entstanden und damit frühneuzeitlich, zeigt aber trotzdem sehr anschaulich die Möblierung so einer Stube vorstellen kann. Zu sehen sind dort, neben dem Kachelofen natürlich, wandfeste Bänke neben der Tür, entlang der Fensterwand und neben dem Kachelofen. Dazu ein Tisch und weitere, mobile, Bänke und Hocker. Über dem Kachelofen, eine wagerecht aufgehängte Stange zum Trocknen oder Aufbewahren von Kleidung und einige Wandhaken(?) zum aufhängen diverser Utensilien. Und hinter der Tür, der Platz für Giessfass (Lavabo) und Waschschüssel oder später dann, den sogenannten Waschkasten (-schrank). Das Handtuch über seinem Halter ganz links im Bild, deutet dies an.
Quellen/Literatur:
1)Stelzle-Hüglin 2004, S. 321.
2) Bedal, Konrad: Wohnen wie zu Dürers Zeiten - Stuben und Wohnräume im süddeutschen, insbesondere fränkischen Bürgerhaus des späten Mittelalters. In: Großmann, G. Ulrich und Sonnenberger, Franz (Hrsg): Das Dürerhaus - Neue Erkenntnisse der Forschung. Dürerforschung Band 1. Nürnberg 2007, S. 27-60.
3) Oberdeutschland umfasst (grob umrissen) Deutschland südlich der Mainlinie inkl. das östliche Elsass, die Deutschschweiz und das westliche Österreich.
4) Einzige nachweisbare Ausnahme lt. Bebal: Eine Bohlenstubenwand in Windsheim aus dem Jahr 1355.
5) Davon abweichend und noch bis ins ausgehende 14. Jahrhunderts eher die Regel, gab es daneben noch Häuser mit sog. Flurküche. Hierbei befindet sich der Arbeitsplatz Küche im Flur des Hauses. Und damit auch das Schürloch des Stubenofens.
Daneben noch, eher als Ausnahme zu betrachten, auch noch spätmittelalterliche Häuser in denen die Kachelöfen tatsächlich nicht von der Küche aus, sondern vom Flur aus befeuert wurden. Siehe: Bedal, Albrecht: Flurküchen, Herde, Rauchfänge im Fachwerkhaus Südwestdeutschlands. In: Klein, Ulrich; Jansen, Michaela; Untermann, Matthias: Küche Kochen Ernährung - Archäologie, Bauforschung, Naturwissenschaften. Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit, Band 19, Paderborn 2007, S. 171-182. URL: https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/mitt-dgamn/issue/view/1845. Stand 4. November 2024.
Bild 1: Bohlenstube im sog. "Kleinen Bürgerhaus aus Wolframs-Eschenbach" im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim, Baugruppe Stadt.
Bild 2: Fest- oder Prunkstube mit geschnitzter Spunddecke im sog. "Hinterhaus aus Eichstätt" im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim, Baugruppe Stadt.
Bild 3: Kleine Stubenfenster in einer unverputzten Bohlenwand im sog. "Hinterhaus aus Eichstätt" im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim, Baugruppe Stadt.
Bild 4: Fenstererker im sog. "Hinterhaus aus Eichstätt" im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim, Baugruppe Stadt.
Grafik: Bohlenwand (links) und Spundwand (rechts). Ansicht vom Raum aus.
Holzdruck: Sebald Beham: Die Spinnstube, 1524, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe. URL: https://www.kunsthalle-karlsruhe.de/kunstwerke/Sebald-Beham/Die-Spinnstube/DE1596364A3285104E7908BE959BA9E4/. Stand 11. März 2025. Creative Commons CCO.
Wetzrillen - Wieso? Weshalb? Warum?
Bayreuth, 26. Mai 2025
Sie sind nahezu in ganz Europa zu finden. Natürlich auch in Bayreuth. Wahrscheinlich kennt sie auch jeder ... und rätselt darüber. Die an einen Schiffsrumpf erinnernden Eintiefungen im Sandstein- und im Norden auch in Ziegelmauerwerk historischer Gebäude. Die sogenannten Wetz- oder Schleifrillen. Manchmal auch als Pestrillen oder Teufelskrallen bezeichnet. Oftmals von den sogenannten „Näpfchen“ begleitet. Nahezu halbkugelförmige Vertiefungen. Letztere meist an Sakral-, seltener an Profanbauten.
Leider sind zu Wetzrillen und Näpfchen weder deren Zweck noch das „Werkzeug“, welches solche Spuren im Stein hinterließ, überliefert. Bei den Wetzrillen in steinzeitlichen Höllen, in Tempelanlagen in Ägypten oder an mittelalterlichen Gebäuden durchaus nachvolziehbar, Wenn man aber bedenkt, dass sie sich auch an Gebäuden finden, die erst im 19. Jahrhundert errichtet wurden, wie zum Beispiel am 1803 erbauten Komunbrauhaus in Creußen (Oberfranken), ist das doch eher verwunderlich. War Vorgang/Tätigkeit vielleicht so profan und alltäglich, dass niemand auf die Idee kam, es niederzuschreiben? Damit geht einher, dass sich auch der Entstehungszeitraum der Rillen eines Gebäudes nur selten fassen lässt. Ist es doch gut möglich und scheinbar auch vereinzelt nachgewiesen, dass sie eben nicht bauzeitlich, sondern deutlich jünger sind.
Niedergeschrieben gibt es dagegen eine Vielzahl von Erklärungsversuchen. Dem Autor dieser Zeilen wurden beispielsweise schon zu Schulzeiten erklärt, dass die Wetzrillen beim Nachschleifen der Messer und (Hack-)Beile der Marktleute und Handwerker entstanden seien. Für uns heute ist das nur schwer vorstellbar, bedenkt man die Qualität eines tatsächlichen Wetzsteins.
Eine weitere der vielen Thesen bezüglich der Wetzrillen, die man häufig hört, wurden Anfang der 2000er Jahre von Georg Steffel erneut aufgegriffen. Demnach sind die Wetzrillen beim Feuerschlagen entstanden. Man entzündete also bei Dunkelheit an der Wand des gerade verlassen Hauses (oder Kirche) mit Schlageisen und Zunder sein Laternenlicht. Wie gesagt, oft gehört und gelesen. Bemerkenswert bei Steffel, er hat nicht nur bereits vorhandene Quellen zurate gezogen, sondern auch (hier in Bayreuth) den praktischen Versuch unternommen.
Dabei gelang es ihm erfolgreich, an einer Sandsteinwand mit Schlageisen und Zunder « … ohne besonderen Aufwand und mit Regelmäßigkeit Feuer aus Sandstein zu entfachen. » und anschließend unter Zuhilfenahme einer kleinen Menge Hobelspäne eine Kerze zu entzünden. Nachzulesen im Archiv für Geschichte von Oberfranken, Band 86.
Trotzdem, auch wenn damit bewiesen ist, dass es tatsächlich möglich ist auf diese Art sein Laternenlicht anzuzünden und dabei auch indireket, warum Wetzrillen gleichermassen an Sakral- wie an Profanbauten zu finden sind, bleibt für uns die Frage: Warum man sein Laternenlicht nicht an einer der Kerzen oder Öllichter entzündete, die bei Dunkelheit sicherlich ohnehin in dem Haus brannten, das man zu verlassen vorhatte? Fällt euch ein Grund ein?
Aber egal und wie dem auch sei, wenn wir euch jetzt neugierig gemacht haben, schaut unbedingt auch mal auf schabespuren.de vorbei. Dort gibt es neben unendlich viel Wissenswertem zum Thema auch hunderte von Fundorten katalogisiert. Darunter auch der Verweis auf Rillen die deutlich jünger sind als die Gebäude in die sie eingeschliffen wurden und auch (vermutlich) alle Wetzrillen an Bayreuther Gebäuden. Und klickt/lest ruhig mal in unsere hier unten angehängte Quellen-/Literaturliste rein. Es lohnt sich. Vor allem bezüglich weiterer Deutungen.
Quellen/Literatur:
Steffel, Georg: Die rätselhaften Rillen. In Archiv für Geschichte von Oberfranken, Band 86, 2006. S. 255-262.
Seidl, Heinrich: Schalen und Wetzrillen an Kirchen und Kreuzen in Franken (Teil 2). URL: http://frankenland.franconica.uni-wuerzburg.de/login/data/1993_55.pdf. Stand. 18. Mai 2025.
Heller, Hartmut: Denk mal! - Unscheinbare Narben im Stein. URL: http://frankenland.franconica.uni-wuerzburg.de/login/data/1993_38.pdf. Stand 18. Mai 2025.
Bild oben: Stadtkirche, rechts des Westportals.
Bild unten: Kanzleistaße 9, rechts der Eingangstür
Zweireihiger Dreilagenkamm - Wer Spiegel hat, muss auch Kamm haben
Bayreuth, 18. Mai 2025
Auch wenn Kämme europaweit in allen Fundzusammenhängen vorkommen und in Bayreuth eine Knochenschnitzerwerkstatt (1) ergraben wurde, gibt es in der Stadt keinen einzigen archäologischen Fund eines Kamms. Trotzdem hat man sich auch damals wie heute in jedem Bayreuther Haushalt sehr wohl die Haare (und ggf. den Bart) gekämmt. Da sind wir uns sicher! Vielleicht ja mit einem solchen, wie im Bild gezeigten, zweireihigen Dreilagenkamm.
Da es, wie gesagt, keinen regionalen Fund gibt, haben wir uns bei unserer Rekonstruktion entschieden, auf jegliche Verzierungen, wie zum Beispiel Kreisaugen oder Linien auf den Kammleisten oder Kammenden, zu verzichten. Wie zum Beispiel bei einem Fund aus Gifhorn (Niedersachsen). Dort grob ins 14./15. Jahrhundert datiert. Oder dem Fragment einer (wahrscheinlichen) Kammleiste aus Bamberg. Gefunden im Abfall einer Knochenschnitzerwerkstatt am Am Kranen, die dort zwischen 1320/50 und um 1460/70 tätig war (2). Und da wir den hier gezeigten Kamm mit dem vor kurzem ebenfalls hier (12. April 2025) vorgestellten Spiegel vergesellschaften wollen, gibt es das gute Stück ab sofort und dauerhaft auch HIER bei uns unter DIES + DAS. Im Kapitel HAB + GUT.
Gefertigt waren solche Kämme meist aus Knochen/Bein oder Geweih. Seltener aus Elfenbein oder Walrosszahn (3). Namensgebende beim Dreilagenkamm sind ganz profan die drei Lagen, aus denen sich der Kamm zusammensetzt. In der Mitte, die wiederum aus mehreren Einzelteilen bestehende Zinkenplatte. Davor und dahinter, die beiden Kammleisten (Deckplatten). Diese werden mittels Eisen- oder Bundmetallnieten zusammengehalten. Die Zinken wurden übrigens erst nach dem Zusammennieten gesägt. Die teilweise augenscheinlich beim Einsägen „verletzten“ Kammleisten lassen dies vermuten.
Ach ja! Neben dem Dreilagenkamm und dem ebenfalls HIER unter DIES + DAS im Kapitel HAB + GUT schon länger gezeigten Langzinken- oder Steilkamm finden sich im mittelalterlichen Europa auch noch sogenannte, meist zweireihige, Einlagenkämme (4). Diese ähneln durchaus den heutigen Nissenkämmen, die es in jedem Drogeriemarkt zu kaufen gibt. Sie sind mindestens seit der römischen Kaiserzeit (5) nachweisbar und finden sich im Fundgut noch weit über das Mittelalter hinaus (6). Sie waren ebenfalls aus Knochen/Bein, Geweih (7), Horn oder Buchsbaumholz gefertigt. Letzteres vor allem in Regionen, in denen der Buchsbaum natürlich vorkam (8).
Und was denkt ihr? Seit wann bringt sich der Mensch unter Zuhilfenahme eines Kammes die Haare in Form? Richtig gewusst, auf jeden Fall seit dem Mesolithikum (Mittelsteinzeit) (9)!
1) Die in Bayreuth ergrabene Knochenschnitzerwerkstatt datiert in die zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts und stellte Beschlagplatten her. Möglicherweise für Pferdesättel. Siehe: Müller, Jakob: Schulmeister und Knochenschnitzer. Archäologische Ausgrabungen in Bayreuth. Bamberg 1996. S. 51f.
2) Flatscher 2016, S. 173
3) Peine u. Wolpert 2018, S. 178
4) Ebd., S. 179
5) Siehe: https://www.saalburgmuseum.de/digitales/digitale-sammlung/
6) Erath 1996, S. 181
7) Hogarth 2015, S. 41
8) Erath 1996, S. 183
9) Schmidt, Nedoma u. Düwel 2013, S. 267
Latrinen! und Ehgräben? in Bayreuth - Schon wieder eine Spurensuche
Bayreuth, 11. Mai 2025
Wie wurde im mittelalterlichen Bayreuth entsorgt was aus dem Haus musste? Wasch- oder Spülwasser und natürlich das kleine und große Geschäft. Ganz allgemein und sofern man sich an die Regeln hielt, landeten diese Hinterlassenschaften beim Mist der eigenen Tiere (auch in der Stadt) oder in einer Latrine hinter dem Haus (1) oder eben im Ehgraben. Jenem schmalen Gang zwischen zwei Häusern, der auch das Dachwasser auffing.
Der Vorteil der Latrine: Die flüssigen Bestandteile der Hinterlassenschaften blieben, wo man sie hingab. In der Latrine eben. Beim Ehgraben dagegen mussten diese über Dolen (2) in den nächstgelegenen Stadtbach (3) und mit dem aus der Stadt geleitet werden. In den Ehgräben zurück blieben nur die festen Bestandteile welche dann, ebenso wie eine Latrine, von Zeit zu Zeit gefegt werden mussten. Das übernahmen meist Fachleute. Die Abortreiniger. Auch Privetfeger, Heimlichgemachfeger genannt. Oder nach ihrer Arbeitszeit in der Nacht (4) auch Nachtmeister. In Nürnberg nannte man sie überdies auch noch Pappenheimer (5). Geleert wurde übrigens bevorzugt in der kalten Jahreszeit (6).
Aber zurück nach Bayreuth. Was lässt sich hier über die Abwasserentsorgungspraxis sagen? Was verraten uns die Quellen? Es gab wohl beides! Gesichert sind auf jeden Fall aber Latrinen. Nachgewiesen 1989/90 am/im heutigen „Historischen Museum“ mit der archäologischen Ausgrabung "Alte Lateinschule". Hier kamen eine relativ flache Erdgrube zutage, deren Sohle mit einer Bretterlage befestigt/abgedichtet war und die als Latrine benutzt wurde und deren Verfüllung in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts datiert. Nur wenige Meter weiter, im Foyer des heutigen Museums, eine mehrere Meter tiefe Kastenkloake/-latrine. Bei ihr liegt die Entstehung vermutlich in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts und ihre letzte Verfüllung in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts (7).
Damit hat es sich eigentlich schon wieder. Zumindest mittelalterlich. Wenn man allerdings noch einen Blick ins 16. Jahrhundert wirft, sieht die Sache schon anders aus. Da wären zum einen archäologisch gesichert, der Abschnitt einer steinernen Abwasserrinne aus dem 15./16.Jahrhundert in der oben genannten Ausgrabung "Alte Lateinschule" (8). Daneben noch Abwasserkanäle in den Grabungen Maximilianstraße 62/Alte Sparkasse und Maximilianstraße 48/ZOH. In beiden Fällen wohl aus dem 16. Jahrhundert. Und dann natürlich der Tappert. Ein künstlicher und zuerst offener Bachlauf der vom Oberen Tor her über den Marktplatz floss und die Stadt auf dem Grundstück Maximilianstraße 62, unter der Stadtmauer hindurch, wieder verlies. Sofern man ihn als Abwasserkanal sehen will. Sollte er doch vornehmlich der Versorgung der Stadt mit Lösch- und Trinkwasser dienen. Das er aber trotzdem auch zur Abwässerentsorgung missbraucht wurde, zeigen Verordnungen die eben genau dass untersagten (9).
Unbekannt ist aber auch, welcher Art die Abwässer waren die über die dort gefundenen Kanäle entsorgt wurden. Waren es nur die Dach- und Abwässer der Häuser oder auch Fäkalien die man so "kanalisiert" aus der Stadt schaffte? Hierzu schweigen die wenigen erhaltenen Quellen. Ausser für einen kleinen Teil der heutigen Gassenaltstadt. Für die Kämmereigasse. Für sie findet sich, für 1539 belegte, der Name "Kottgass" und ihre Beschreibung als schmale Gasse (eher ein Gang) durch welche ein Seitenarm des Tappert floss und über den dort die Abwässer UND Fäkalien entsorgt wurden (10). Eine Frage bleibt aber auch hier. Wie gelangten die Abwässer in den Bach/Kanal?. Goss man sie direkt hinein, bzw. standen die Abtritte direkt am Bachlauf, oder leitete man sie aus den damals möglicherweise tatsächlich vorhandenen Ehgräben, über Dolen in den Bach. Eine Frage die vielleicht einmal eine archäologische Grabung in der heutigen Kämmereigasse klären wird, die aber im Moment und mit den uns zu Verfügung stehenden Quellen, nicht zu klären ist.
1) Kenzler u. Ericsson, 2006, S. 92
2) Dole, Dollen, Tolen = Aus dem althochdeutschen „Dola“ für Röhre oder Rinne. Beschrieben als mit Holz oder Stein gefasste Abwasserrinne. Manchmal auch abgedeckt.
3) Weech 1862, S. 200
4) Um die Geruchsbelästigung der Anwohnerschaft gering zu halten.
5) Schubert 1985, S. 104f.
6) Weech 1862, S. 113
7) Müller J. 1996, 21ff.
8) Ebd. S. 75
9) Aas 2011, S. 46f.
10) Kohlheim 2006, S.60
Oberes Bild: Rekonstruierter Abtritt auf einer Kastenkloake/-latrine. Bachritterburg/Kanzach.
Unteres Bild: Ehgraben? Traufgasse? Zugang zum Hofraum? Bayreuth, Maximilianstraße.
Geschichtspark Bärnau-Tachov - Bayreuth1320 fast allein im Museum
Bayreuth/Bärnau 5. Mai 2025
Ein wunderbarer Sonnen- und Brückentag, um seine Klamotte auszuführen und neue Leute zu treffen. Ein Tagesausflug in den Geschichtspark Bärnau-Tachov stand an. Aber leider war der, bis auf zwei Häuser, komplett darstellerfrei. Irgendwie schade. Wie auch immer, belebt wurden die beiden Häuser im "Hochmittelalter" von der Gruppe Mark Meissen. Tolle Leute, groß wie klein und ein schöner Tag mit guten Gesprächen und gutem Essen. Danke für Letzteres an Sandrina von Mark Meissen und De Timmermansche. Die hatten sich nämlich für diesen Tag zum gemütlichen Gemeinsamkochen verabredet. Nur wirklich schade, dass der Park, wie gesagt, an einem Brückentagwochenende so verweist war, hatten wir doch auf den einen oder anderen alten Bekannten gehofft. Aber möglicherweise war das am eigentlichen Wochenender ja anders und wir haben uns nur den falschen Tag ausgesucht.
Wie auch immer, spätestens am Pfingstwochenende (6. - 9. Juni 2025) zu den Thementagen Weibsbilder – Frauen schreiben Geschichte wird der Laden bestimmt um einiges voller.
Nürnberg gezeichnet - Gotik für an die Wand
Bayreuth/Nürnberg 27. April 2025
Schaut mal, was wir am Hauptmarkt in Nürnberg im Schaufenster der ältesten Buchhandlung Deutschlands (gegründet 1531), der Buchhandlung Korn und Berg, entdeckt haben. Handsignierte Drucke des in Nürnberg lebenden Architekturhistorikers, Zeichners und Fotografen Pablo de la Riestra.
In diesem Fall, Grafiken der drei großen gotischen Kirchen Nürnbergs: Frauenkirche, St. Lorenz und St. Sebald. Jede für sich, herausgenommen aus dem Stadtbild und nur für sich selbst sprechend. Großartige Idee und großartige Umsetzung, wie wir finden.
Doch damit nicht genug. Eine Auswahl der Nürnberger Werken von Pablo de la Riestra wird vom 8. bis zum 31. Mai in der w-i Galerie in Nürnberg zu sehen sein. Begleitet von drei Vortragsabenden unter dem Titel Nürnberg sehen lernen, am 8., 15. und 22. Mai. Aber Achtung, die Vortragsabende finden abweichend im Burghotel Nürnberg, Lammsgasse 3, statt.
Wassermühlen im mittelalterlichen Bayreuth II - Kurz und knapp VII
Bayreuth, 20. April 2025
Vor ein paar Wochen (23. März 2025) hatten wir es hier im Blog von den mittelalterlichen Wassermühlen in Bayreuth. Dabei haben wir euch doch tatsächlich einen archäologischen Fund zum Thema unterschlagen (vergessen). Einen Mahlstein. Gefunden 2015 bei einer archäologischen Grabung auf Höhe der Hausecke des Redoutenhauses während der Sanierung der Fußgängerzone. Also tatsächlich unweit des Mühlkanals. Zum Vorschein kam dabei unter anderem der Fußboden eines aus Stein erbauten Hauses. Und teilweise darin eingelassen, eben jener Mahlstein. 80 Zentimeter im Durchmesser und etwa 30 Zentimeter dick. Vermutlich wurde er ursprünglich zum Mahlen von Farbe (Pigmenten) oder Kalk verwendet.
Ein paar Zeilen mehr zur Ausgrabung selbst, gibt es fast direkt vor Ort. Auf der Stele zur Station 1 des „Archäologischen Rundgangs durch die Stadt“ neben dem Wittelsbacher Brunnen (siehe Bild). Oder ihr lest in der Broschüre zum "Rundgang" nach. Oder auf der den Rundgang ergänzenden Homepage. Oder in den dort verlinkten Artikeln des Nordbayrischen Kuriers. Denn leider gibt es keine Gesamtpublikation zu den Ergebnissen der unzähligen archäologischen Grabungen, die die Sanierung der Bayreuther Fußgängerzone begleitet haben.
Quelle/Literatur:
Waha, Eric: Grabungen in der Opernstraße: Bayreuther Spuren von vor 600 Jahren. Nordbayrischer Kurier, vom 20.09.2015, online. URL: https://www.kurier.de/inhalt.archaeologische-grabungen-in-der-opernstrasse-fachwerk-ziegel-ein-mahlstein-und-drei-brandschichten-grabungen-in-der-opernstrasse-bayreuther-spuren-von-vor-600-jahren.95255bb6-558d-4886-a04e-0de00fc489cb.html. Stand 18. April 2025.
Konvexer Spiegel - … an der Wand, wer sind die schönsten im ganzen Land
Bayreuth 12. April 2025
GLASspiegel sind eindeutig älter als wir zunächst dachten. Denn auch wenn deutlich kleiner als unser Exemplar, waren sie tatsächlich bereits im Römischen Reich verbreitet. Mittelalterlich finden sie sich eventuell sogar schon im 6./7. Jahrhundert, sicher aber im 9. Jahrhundert beschrieben. Unklar ist allerdings ob die Spiegelproduktion in Europa von der Antike bis ins Mittelalter durchgängig fortlebte. Jedenfalls gibt es bereits um das Jahr 1000 das deutsche Wort "Spiegelglas" und 1215 taucht in einem Handelsdokument dann erstmals « (…) gutes und schönes Glas (…)» auf, welches von Deutschland nach Genua exportiert wurde. Explizit um dort Spiegel daraus zu fertigen.
Hergestellt werden solche konvexen Spiegelgläser wie hier, indem man große Glaskugeln blies, diese von innen mit Blei verspiegelt und, das verraten uns die Funde, zerschnitt oder zerbrach, die Stücke dann in den jeweiligen Spiegelrahmen einpasste und dort verkittete.
Für unseren hier gezeigten Spiegelrahmen stand ein Fund aus Lübeck Pate, der dort ins (13. Jahrhundert datiert wird. Die schlichte, rote Farbfassung hingegen, ist einer Illumination im "Breviari d'amor et Lettre à sa soeur" von Matfré Ermengau (14. Jahrhundert) entlehnt, die einen offenbar identischen Spiegel(rahmen) zeigt. Und da unser Spiegel als Wandspiegel gedacht ist, befinden sich hinter dem Spiegelglas (entsprechend diverser Funde) zwei Löcher im Rahmen, durch welche wir eine Leinenkordel gezogen haben.
Und weil der hier gezeigte Spiegel in unsere gute Stube einziehen wird, findet man das gute Stück ab sofort auch HIER bei uns unter … IM HAUSHALT. Im Kapitel HAB + GUT.
Quelle/Literatur:
Krueger, Ingeborg: Glasspiegel im Mittelalter - Fakten, Funde und Fragen. In: Bonner Jahrbücher des Rheinischen Landesmuseums in Bonn und des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege im Landschaftsverband Rheinland und des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande, Band 190, 1990. Seite 233-313. URL: https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/bjb/issue/view/4322. Stand 21. Juli 2024.
Straßennamen im mittelalterlichen Bayreuth - Stadtbibliothek rules
Bayreuth, 6. April 2025
Erinnert ihr euch? Bei unseren Recherchen zu den Bayreuther Wassermühlen sind wir zwar antiquarisch fündig geworden, haben euch aber den Weg in die Stadtbibliothek RW21 empfohlen. Und genau diesen Weg sind wir jetzt auch einmal selbst gegangen. Und sind dort bei Band 86 des Archiv für Geschichte von Oberfranken hängen geblieben. Und dort bei dem Artikel "Bayreuther Straßennamen vom Mittelalter bis heute - Ein kulturhistorischer Abriss" von Rosa und Volker Kohlheim.
Natürlich konnten wir es nicht lassen uns (und Euch) die mittelalterlichen Straßennamen und ein paar Informationen dazu, rauszuschreiben. Aber um es gleich vorweg zu sagen, nur eine der heutigen Straßen in Bayreuth trägt ihren Namen seit dem Mittelalter. Die Frauengasse. Spätestens seit dem 15. Jahrhundert heißt sie so (1). Namensgeber waren hierbei die über die Jahrhunderte ansässigen Frauenhäuser (Bordelle).
Alle anderen Gassen und Straßen der Stadt haben ihre Namen zum Teil mehrfach geändert. Dennoch ist der eine oder andere mittelalterliche Straßen- oder besser Gassennamen überliefert. Vor allem über das erste Bayreuther Stadtbuch von 1430-63 und dessen ab 1464 geführten Nachfolger.
Allerdings verschweigen uns diese Stadtbücher den Namen der damals wie heute markantesten Straße der Stadt, den der heutigen Maximilianstraße … von uns Bayreuthern meist nur "Markt" genannt. Erst nach dem Mittelalter, auf dem ältesten Stadtplan der Stadt von 1610 (2), ist für den Markt der Name Haupt Gaß zu fassen.
Von ihr geht die Praytte Gaß (3) ab, die heutige Sophienstraße. Der Name findet sich, für ihren vorderen, von der Maximiliansstraße abgehenden Teil, bereits 1449. Es ist anzunehmen, dass hier die Breite der Gasse namensgebend war. Für den hinteren Teil ist der Name Priestergasse überliefert. Der Name geht hier wohl auf die dort 1449 für Priester errichteten Mietshäuser zurück, ist aber als Gassenname erst für 1518 nachweisbar. Ausserdem befand sich, wenn auch abermals nicht mittelalterlich, in der heutigen Sophienstraße, ein morastiges Teilstück (unbekannt wo), welches zumindest 1541 die Bezeichnung In der Sutten trug. Wobei "Sutte" im Mittelhochdeutschen für Pfütze oder Wasserlache steht.
Die heutige Von-Römer-Straße, die etwa auf halber Länge von der Sophienstraße abzweigt, hieß im Mittelalter Judengass. Erstmals zu finden 1463 im Zusammenhang mit einer Schuldumwandlung. Ihren Namen hat sie, wer hätte es gedacht, von den dort wohnenden Juden.
Eine weitere Gasse vom Marktplatz zum Kirchplatz (unbekannt welche) taucht erstmals im Stadtsteuerregister von 1447 als Kirchgasse auf. Möglicherweise handelt es sich dabei um die heutige Kirchgasse. Für uns so darstellbar, da eben jene Kirchgasse ab 1522 für rund 300 Jahre, nach einem ihrer Anwohner, den Namen Ochsengasse trug, die dann wiederum im ältesten Stadtplan, als die heutige Kirchgasse identifiziert werden kann.
Womit wir beim heutigen Kirchplatz/Bernd-Meyer-Platz wären. Dieser findet sich im Stadtbuch von 1464 als Kirchhov bezeichnet. Hier dürfte auch klar sein, woher der Platz seinen Namen hat.
An ihm, bzw. an der Kirche vorbei, führt die von der Maximiliansstraße kommende und an der Sophienstraße endende, heutige Kanzleistraße. Ehemals Schmidtgasse. Benannt nach einem Contz Schmidt, der 1510 wohl dort wohnte. Möglicherweise trug sie diesen Namen aber schon davor, da sich dort 1993 bei archäologischen Grabungen mehrere Schmieden und für das 15. Jahrhundert mehrere Anwohner mit dem Beinamen "Schmied" nachgewiesen werden konnten.
Außerhalb der Stadtmauer, vor dem "Unteren Tor" (Stadttor), trug die heutige Kulmbacher Straße mindestens seit 1446/48 den Namen Steinweg oder Steingasse. Ein Name der sich bis ins 19. Jahrhundert hielt. Namensgeber war hier der Flurnahme "Der Stein", nach dem felsigen Untergrund dort vor der Stadtmauer. Die Straße führte auch damals schon bis nach Kulmbach.
Bemerkenswert hier noch: Die jenseits des Mistelbachs am Steinweg gelegene und im ersten Stadtbuch von 1446/48 belegte Kapelle zum "Heilig Kreuz", wird dort zum Namensgeber für den damaligen Vorort und heutigen Stadtteil "Kreuz".
Vor dem "Unteren Tor" befand sich auch die heute nicht mehr existierende Wolfsgasse. Im ersten Bayreuther Stadtbuch von 1463 wird sie bereits als Wolfsgässlein erwähnt. Namensgeber war hier wohl abermals ein Anwohner gleichen Namens. Verschwunden ist diese historische Gasse beim Bau des Wittelsbacherrings in den 1970er Jahren. Dabei erhielt auch die heutige Wolfsgasse ihren scheinbar historischen Namen.
Weiter östlich um die Stadtmauer herum, findet sich im Stadtbuch von 1446/48, der Neuenweg. Erwähnt im Zusammenhang mit dort durchgeführten Pflasterarbeiten. Heute etwa Luitpoldplatz/untere Bahnhofsstraße. Der Name geht später auf das westlich davon gelegene Stadtviertel über und hält sich noch bis ins 20. Jahrhundert.
Und wohl unweit des Neuenweg gelegen, findet sich für 1464 der Mittelweg beurkundet. Erwähnt als Ortsangabe in einer Rechnung für Wachs. Seine genaue Lage ist allerdings unbekannt, dürfte aber im dortigen Vorort/Ortsteil zu suchen sein.
Vom "Oberen Tor" (Stadttor), führte in südöstlicher Richtung der Rennweg aus der Stadt. Die heutige Richard-Wagner-Straße. Bemerkenswert hier: Der Name Rennweg bestand seit seiner Eintragung im ersten Stadtbuch 1446/48 ununterbrochen bis ins 19. Jahrhundert.
Ebenfalls vor dem Oberen Tor befand sich die Maroltßgasse, die heutige Ludwigstraße. Sie wird im Stadtbuch von 1464 , bezüglich eines dort anliegenden Hauses samt Garten, erstmals erwähnt. Sie trug ihren Namen nach ihrem Ziel, dem seit 1398 nachweisbaren Hof und späteren Dorf Maroltczhofe. Heute Moritzhöfen.
Und schließlich, die Jean-Paul-Straße. Sie scheint bereits im Spätmittelalter unter dem Namen Gloyengasse als Straße oder Weg bestanden zu haben. Namensgeber war auch hier ein Anwohner. Ein dort nachweislich von 1469 bis 1505 lebender Bürger namens "Gloy".
Damit hat es sich mit den aus dem Mittelalter überlieferten Straßennamen in Bayreuth. Alle anderen der historischen Straßennamen, lest bitte selbst nach. Der Band ist wie gesagt, in der Bayreuther Stadtbibliothek RW21 zum ausleihen verfügbar.
Quellen/Literatur:
1) Siehe: Bast, Eva-Maria: Frauengasse - Älteste Straße fürs älteste Gewerbe. Onlineartikel des Nordbayrischen Kurier von 5. Dezember 2918. Stand 30. April 2015.
2) Titel der Federzeichnung: Bayreuth, wie es vor dem Brand 1621 gestanden. Datierung der nachträglich angeklebten Legende: um 1710. Siehe: Götzel, Hermann: Bayreuth in alten Stadtansichten - Grafik von 1500-1900. Bayreuth 2012. Seite 18.
3) Alle folgenden Straßennamen nach: Kohlheim, Rosa und Volker: Bayreuther Straßennamen vom Mittelalter bis heute - Ein kulturhistorischer Abriss. In: Archiv für Geschichte von Oberfranken, Band 86, 2006. S. 57-92.
Bulle der Heiligsprechung des St. Sebalds - Glück gehabt
Bayreuth/Nürnberg, 30. März 2025
Du denkst dir nix, bist gerade auf den Weg nach Nürnberg und bekommst den Tipp, wenn du sowieso schon in der Stadt bist, schau mal in St. Sebald vorbei. Da läge gerade die Heiligsprechungsurkunde des St. Sebald, die „Bulle Ad perpetuam Martins V.“ vom 26. März 1425, in ihrer Ausfertigung für die Kirche St. Sebald, ausgestellt. In der Kirche! Das Original!
Natürlich hat der so Beratene den kleinen Umweg gemacht. Und da lag sie dann auch (und der Autor diese Zeilen hatte das Glück sie zu sehen) in einer eher unscheinbaren Vitrine. Fast zu übersehen neben dem herrlich herausgeputzten Grabes des Heiligen selbst. Leider tatsächlich auch nur für diesen einen Tag.
Anlass der kurzen Ausstellung der Urkunde war übrigens das Festprogramms rund um den sechshundertsten Jahrestages der Heiligsprechung des St. Sebald.
Ach Ja! Das Grab des St. Sebald ist vielleicht nicht das einzige Heiligengrab in einer evangelischen Kirche, aber wahrscheinlich ist es das einzige mit immer noch aktiv tätiger Heiligenverehrung. Seine heutige Gestalt hat das Grab übrigens seit 1519. Der darin verwahrte silberne Schrein entstand aber bereits 1397. In ihm ruhen die Gebeine des in Nürnberg bereits seit dem 11. Jahrhundert verehrten Heiligen. Die letzte und gleichzeitig erste öffentliche Öffnung des Grabes und Visitation der Gebeine fand anlässlich des 500. Geburtstages des Grabes 2019 statt.
Wassermühlen im mittelalterlichen Bayreuth - Neue Spurensuche
Bayreuth, 23 März 2025
Dass auch das mittelalterliche Bayreuth über Wassermühlen verfügte dürfte klar sein. Einige ihrer Nach- Nach- Nachfolgebauwerke oder ehemalige Standorte dürften sogar dem einen oder anderen noch bekannt sein. Falls nicht, können wir euch ab sofort weiterhelfen. Uns ist nämlich vor kurzen in einem Antiquariat Band 67 des "Archiv für Geschichte von Oberfranken" von 1987 in die Hände gefallen. Herausgegeben vom Historischen Verein für Oberfranken. Darin der Artikel: Die Bayreuther Wassermühlen - Ein Beitrag zu ihrer Geschichte. Von Irmgard Dämmrich. Ein mehr als großartiger Artikel der, so wie es aussieht, nicht nur alle ehemaligen Wassermühlen auflistet, sondern auch nichts von dem auslässt, was über die einzelnen Mühlen dokumentiert ist.
Das unserer Meinung nach wichtigste und dazu noch einige Stichpunkte zu ihren frühen Jahren, findet man ab jetzt HIER bei uns unter SPURENSUCHE. Im Kapitel BAYREUTH.
Und falls wir euch mit unserer Spurensuche neugierig gemacht haben und ihr es jetzt ganz genau wissen wollt: Die Jahrbücher des Archiv für Geschichte von Oberfranken, können in der Stadtbibliothek Bayreuth "RW 21" ausgeliehen werden. Auch der Band 67 in dem wir für unsere Spurensuche recherchiert haben.
Bild: Wassermühle. Luttrell Psalter (1325-35), f.181 Psalm 103. British Library via Wikimedia Commons. CC0 1.0.
Sperrfederschloss - Klein und fein
Bayreuth, 16. März 2025
Schaut mal was wir da aufgetan haben. Ein Vorhängeschloss! Hergestellt entsprechen/angelehnt an einen Originalfund aus London und dort zwischen 1270-1350 datiert. Leider sind solche aus Buntmetall (=Bronze oder Messing) gegossenen Stücke auf deutschen Fundplätzen sehr selten (1). Hier scheinen, nach unserer Recherche, eher aus Eisenblechteilen zusammengelötete Vorhängeschlösser üblich gewesen zu sein. So auch auf Burg Burgthann (Nürnberger Land). Dort lagen vor Jahren zwei solcher aus Eisenblech gefertigten Vorhängeschlösser (unteres Bild) in der Dauerausstellung. Datiert sind diese in die 2. Hälfte des 14. Jahrhundert bis 1. Viertel 15. Jahrhundert.
Doch egal ob Buntmetallguss- oder Eisenblechgehäuse, der namensgebende Schließmechanismus ist der gleiche. Er besteht aus mehreren Blech(sperr)federn am Riegel, welche sich, ist das Schloss zusammengeschoben, hinter dem Einschub aufspreizen und es so geschlossen halten. Solche Schlösser werden mittels eines Schiebeschlüssels geöffnet. Dieser wird durch eine Öffnung auf der dem Riegel gegenüber liegenden Seite im Gehäuse eingegeschoben. Dort drückt er die Federn des Riegels zusammen, so das man diesen wieder durch den Einschub herausziehen und damit das Schloss öffnen kann.
Solche Sperrfederschlösser waren im heutigen Deutschland mindestens seit dem ersten vorchristlichen Jahrhundert gebräuchlich und sind es in China, Marokko und dem Iran noch bis heute.
Quelle/Literatur:
Egan, Geoff: The medieval household - Daily living c. 1150 - c. 1450. Medieval finds from excavations in London: 6. London 1998.
Steeger, Wolfgang: Die staufische Reichsminesterialenburg „Tanne“ in Burgthann. In Birgit Friedel (Hrsg.): Nürnberg - Archäologie und Kulturgeschichte - … nicht eine einzige Stadt, sondern eine ganze Welt ... - 950 Jahre Nürnberg, 1050 - 2000. Büchenbach 1999, S. 268–278.
Morgenroth, Ulrich: 4000 Jahre hinter Schloss und Riegel - Eine kleine Menschheitsgeschichte der Sicherheitstechnik (Hrsg.: Stadt Velbert - Deutsches Schloss- und Beschlägemuseum). Velbert 2006.
1) Als Beispiele: Ein Vorhängeschloss aus Bronze mit Spreizfedersperre, samt Schiebeschlüssel aus dem 12.-14. Jahrhundert. Heute im Focke-Museum Bremen. Und ein figürliches Vorhängeschloss aus Buntmetall aus dem 13.-14. Jh. Heute im Museum der Stadtarchäologie Soes
Bild oben: 1- Verriegeltes Schloss. 2- Entriegeltes Schloss. 3- Riegel mit aufgeschobenen Schiebeschlüssel. Siehe zusammengedrückte Federn. 4- Geöffnetes Schloss.