Bemaltes Kruseler-Püppchen - Neues aus der Spielzeugkiste

Bayreuth/Nürnberg, 6. Juli 2025

Schon wieder einmal so eine Sache in Sachen Mittelalter, von der man nicht wusste dass es sie gibt. Und man hätte auch nicht geglaubt, dass es sie gibt, hätte man sie nicht vor die Nase gehalten bekommen. Diesmal war es ein bemaltes Kruseler-Püppchen aus der Stadtarchäologie Nürnberg. Gefunden bei einer Grabung in der Rathsbergerstraße in Nürnberg und wohl vor 1400 zu datieren. Unser erster Gedanke nachdem die Verblüffung verflogen war: Ja warum eigentlich nicht? Es ist ja schließlich Kinderspielzeug.

Aber so richtig sortieren konnten wir es nicht. Macht aber nichts, denn genau dazu gibt Literatur.
Moden aus Modeln, so der Titel. 1998 vom Germanischen Nationalmuseum Nürnberg herausgegeben. Und darin: Bemalte Tonfigürchen. Auch bemalte Kruseler-Püppchen. Zwar nur wenige, aber immerhin. Und dass so wenige bemalt gefunden wurden, liegt wohl daran, dass deren ursprüngliche Bemalung durch Abnutzung beim Gebrauch und/oder die lange Zeit im Boden verloren ging. Glücklicherweise aber nicht immer. Denn gelegentlich findet man vor allem in deren Gesichtern noch Farbreste der ursprünglichen Bemalung. Dabei ist festzustellen dass damit wohl die Augen, der Mund, aber auch die Arme und Teile der Kleidung betont werden sollten. Schwarz war hierbei die Farbe der Wahl. Bei den hier gezeigten Püppchen aus der Stadtarchäologie Nürnberg, finden sich solche (augenscheinlich) schwarzen Farbreste an der Stirn unter dem Kruseler, als rechte Augenbraue, in der Armbeuge des rechten Arms und am rechten Handgelenk.

Daneben waren auch die Augen farblich hervorgehoben. Diese wohl aber in einer anderen Farbe. Solche über ihre Konturierung hinausgehend bemalten Kruselerpüppchen finden sich auch in der Sammlung des GNM. Wenn auch nur mit wenigen Stücken. Erstaunlicherweise in Form von ehemals bunt bemalten Kruseler-Hauben (Farbresten zwischen den Rüschen). Erstaunlich deshalb, weil die zeitgenössische Kunst unseres Wissens nach, die ehemals aus Leinentuch bestehenden Kruseler immer weiß darstellt. Aber vielleicht könnt ihr uns da weiterhelfen. Bezüglich des Wissens um bunte Kruseler oder vielleicht sogar mit einem ehemals komplett bemalten Kruseler-Püppchen. Egal ob als ausgestelltes Original im Museum bei euch um die Ecke, als Textstelle in einem der Bücher bei euch im Regal oder einem Link. Mail genügt.

 

Quelle/Literatur:
Grönke, Eveline und Weinlich, Edgar: Mode aus Modeln - Kruseler- und andere Tonfiguren des 14. bis 16. Jahrhunderts aus dem Germanischen Nationalmuseum und anderen Sammlungen. Nürnberg 1998.

Archäologisches Lexikon - "Mode aus Modeln" - Spielzeug oder Gabenträger. In: Archäologie am Obermain. URL: http://landschaftsmuseum.de/index1.htm. Stand 5. Juli 2025

Bild 1: Kruselerpüppchen mit Resten einer Bemalung. © Holger Heid mit freundlicher Genehmigung durch Melanie Langbein, Stadtarchäologie Nürnberg.

Bild 2: Ausschnittvergrösserung.

Bild 3. Rückseite des Püppchens. © Holger Heid mit freundlicher Genehmigung durch Melanie Langbein, Stadtarchäologie Nürnberg.


Nürnberg Mitte 15tes - Ein Augenzeugenbericht

Bayreuth, 29. Juni 2025

Fundstücke über Fundstücke. Diesmal, ein Auszug aus dem von 1457 bis 1558 entstandenen Reisebericht „De ritu, situ, moribus et conditione Germaniae descriptio“ (= Beschreibung von Lage, Gebräuchen und vom Zustand Deutschlands). Verfasst von Aeneas Silvius de Piccolomini (1405-64), dem späteren (ab1458) Papst Pius II.
Gefunden haben wir den Auszug, wie auch schon die Sache mit den Blumentöpfen, in "Franken in alten Ansichten und Schilderungen" von Hanns Hubert Hofmann und Günther Schuhmann.
Darin wird De Piccolomini bezüglich Nürnberg wie folgt zitiert: « Wenn man aus Niederfranken kommt und diese herrliche Stadt aus der Ferne erblickt, zeigt sie sich in wahrhaft majestätischem Glanze, der beim Eintritt in ihre Tore durch die Schönheit ihrer Straßen und die Sauberkeit ihrer Häuser sich bewahrheitet. Die Kirchen zu St. Sebald und St. Lorenz sind ehrwürdig und prachtvoll, die kaiserliche Burg blickt fest und stolz herab, und die Bürgerhäuser scheinen für Fürsten erbaut. Wahrlich, die Könige von Schottland würden wünschen, so gut wie die Durchschnittsbürger von Nürnberg zu wohnen. »

Dem ist nichts hinzuzufügen. Allerdings sollte man bedenken, dass Piccolomini an der einen oder anderen Stelle, vielleicht sogar mit einem gewissen Kalkül, etwas übertrieben haben könnte. Vielleicht aber auch nicht, stand doch Nürnberg damals in seiner wirtschaftlichen und kulturellen Blüte, von der noch heute die unter der Burg stehenden (Bürger-)Häuser dieser Zeit zeugen. Außerdem kann man annehmen, dass ein (damals noch) Kardinal, wohl schwerlich die Gassen abseits der Hauptstraßen, der großen Kirchen und der Patrizierhäuser zu sehen bekam.

 

Quelle/Literatur:
Schuhmann, Hanns Hubert und Hofmann, Günther (Hrsg.): Franken in alten Ansichten und Schilderungen. 1967.

Bayerische Akademie der Wissenschaften: Geschichts­quellen des deutschen Mittelalters - De ritu, situ, moribus et conditione Germaniae descriptio. URL: https://geschichtsquellen.de/werk/1819. Stand 23. Juni 2025.

Bayerische Akademie der Wissenschaften: Geschichts­quellen des deutschen Mittelalters - Pius II papa. URL: https://geschichtsquellen.de/autor/1803. Stand 23. Juni 2025.

Diefenbacher, Michael: Nürnberg, Reichsstadt: Politische und soziale Entwicklung. In: Historisches Lexikon Bayern. URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/N%C3%BCrnberg,_Reichsstadt:_Politische_und_soziale_Entwicklung#Aufstieg_zur_Reichsstadt_-_Verbindung_zum_K%C3%B6nigtum_-_Innere_Unruhen. Stand 28. Juni 2025.

Bild: Bürgerhaus Obere Krämersgasse 12, Nürnberg. 1399 erbaut. Fassade mit Zwerchhaus weitestgehend bauzeitlich. Siehe: https://www.nuernberg.museum/projects/show/771-haus-obere-kraemersgasse-12-privatbesitz-besichtigen (Stand 14. Mai 2025)


Grapen? Dreibeintopf? Dreibeinpfanne? - Das ist hier die Frage

Bayreuth, 22. Juni 2025

Nicht alle Keramikkochgefäße sind Grapen. Soweit so klar. Aber auch nicht alle die auf drei Beinen stehen! Denn ein Grapen ist nur dann ein solcher wenn er auf besagten drei Beinen steht UND einen mehr oder weniger rundkugeligen Gefäßboden hat. Dabei ist es auch egal ob er aus Keramik oder Buntmetallguss hergestellt ist.

Kochkeramik mit zwar ebenfalls drei Beinen, ABER einem flach-gedrungenen Gefäßkörper und nahezu flachem Boden, firmiert dagegen als Dreibeintopf oder Dreibeinpfanne. Je nachdem ob sie einen Bandhenkel (= Dreibeintopf) oder einen hohlen Tüllengriff (= Dreibeinpfanne) hat. Und um noch eins draufzusetzen: Es gibt auch Grapen aus Keramik mit Henkeln oder hohlen Tüllengriffen. Letztere bezeichnet man dann als Tüllengrappen. Noch Fragen?

Aber vielleicht wollt ihr euch doch lieber selbst ein Bild machen. Idealerweise mit dem "Leitfaden zur Keramikbeschreibung (Mittelalter - Neuzeit)". Leider gibt es den, so wie es zurzeit aussieht, nur noch über eine Bibliothek auszuleihen oder antiquarisch zu kaufen. Oder ihr nutz einfach* das BaLISminK. Das Bamberger Lehr- und Informationssystem zur mittelalterlichen und neuzeitlichen Keramik. Habt aber bitte keine Scheu, denn obwohl das BaLISminK eigentlich für den Universitätsbetrieb konzipiert wurde, richtet es sich ausdrücklich auch an den interessierte Laien. Auch bezüglich der Erweiterung und Verbesserung.

Und wenn wir schon beim Thema Keramiktypologie sind und ihr vielleicht mal kurz über unsere Landesgrenzen hinausschauen wollt, klickt euch mal durch den Guide to the Classification of Medieval Ceramic Forms an. Der Name lässt es erraten: der Leitfaden zur Beschreibung englischer Keramik. Oder ihr werft einen Blick ins Handbuch zur Terminologie der mittelalterlichen und neuzeitlichen Keramik in Österreich. Viel Spaß beim Stöbern!

Ach ja! Kochgefäße ohne Beine sind einfach nur Töpfe. Je nach der Form ihres Bodens, Standboden- oder Kugeltöpfe.

 

*Der Link zum BaLISminK ist ab sofort ebenfalls HIER bei uns unter LINKS unten in der Fußleiste zu finden. Dort in der Kategorie RECHERCHE.

Im Bild: 1= Standboden, 2= auf- oder eingewölbter Standboden, 3= Linsenboden, 4= Kugelboden, 6-12= angesetzte Füße.

Quelle/Literatur:
Bauer, Ingolf; Endres, Werner; Kerkhoff-Hader u.a.: Leitfaden zur Keramikbeschreibung (Mittelalter - Neuzeit) - Terminologie, Typologie, Technologie. München 2005.
BaLISminK = Das Bamberger Lehr- und Informationssystem zur mittelalterlichen und neuzeitlichen Keramik. URL: https://amanz-balismink.rproxy.rz.uni-bamberg.de/balismink/index.php/Hauptseite. Stand 5. Juni 2025.


Blumentöpfe - Drüber gestolpert

Bayreuth, 15. Juni 2025

Manchmal begegnen einem Dinge, die glaubt man erst mal nicht. Diesmal: Mittelalterliche Blumentöpfe. Richtig, die gab es wirklich. Drüber gestolpert sind wir in dem Buch: Franken in alten Ansichten und Schilderungen. Darin ein Zitat des Humanisten Conrad Celtis von 1495: « … und vor denselben fenstern in scherben mancherley wohlriechender plumen und frembder kräuter, die dann, so sich der luft bewegt, die schlafkammer und heuser, also sie offen und luftig sind, mit ihren geschmack erfüllen … ». Gemeint sind die Fenster in Nürnberg und mit den "scherben" Blumentöpfe.
Blumentöpfe auf der spätmittelalterlichen Fensterbank. Das bedarf der Recherche.

Und siehe da, Uwe Gross hat uns da weitergeholfen, Blumentöpfe waren in den Städten seit dem Hochmittelalter durchaus gebräuchlich. Ihre trotzdem geringe Anzahl im archäologischen Fundgut, begründet er damit, dass sie anfangs wohl auch keine spezifische Form hatten und sie sich somit kaum von den Töpfen aus Küche und Vorratshaltung unterschieden. Einzig die Löcher zur Vermeidung von Staunässe im Gefäßboden, könnten sie als Blumentopf ausweisen. Gross meint in diesem Zusammenhang auch, dass Töpfe mit durchlochtem Boden zu oft als Siebgefäße missgedeutet wurden und werden. Für uns durchaus nachvollziehbar. Vor allem bei Töpfen mit nachträglich durchlochtem Boden.

Ab dem späten 14. Jahrhundert wird die Sache aber einfacher. Da bildet sich dann die bis heute für Blumentöpfe so typische steilwandige Form heraus. Meist weitmundig, etwa halbhoch und von vornherein mit (auch mehreren) Löchern im Gefäßboden oder dem bodennahen Wandbereich. Dabei konnten die Töpfe durchaus auch verziert sein. Zum Beispiel mit ein- oder zweifarbiger Engobe. Mit Randleisten oder umlaufend eingeritzten Linien und/oder Wellen. Oder mit Zinnen oder Treppchen tragende Gefäßrändern.

Dementsprechende Stücke findet man auch in der zeitgenössischen Kunst. Dort stehen sie dann im Zusammenhang mit einer augenscheinlich gut situierten Gesellschaft. Wobei sich hierbei für uns die Frage stellt, inwieweit Keramiktöpfe und mehr sind Blumentöpfe nun mal nicht, tatsächlich nur als Luxusgut einer vermögenden Bevölkerungsschicht zu sehen sind. Eine Ausnahme dürfte dabei die Majolika in Bild 3 darstellen. Vielleicht standen Blumentöpfe ja ganz im Gegenteil, sogar, um zu Conrad Celtis zurückzukommen, auch auf den Fensterbänken der Nürnberger Handwerkerhäuser. Waren also, wie oben schon angemerkt, weil missgedeutet, wesentlich verbreiteter als uns die wenigen Blumentöpfen unter den archäologischer Funden denken lassen.

 

Quelle/Literatur:
Schuhmann, Hanns Hubert und Hofmann, Günther (Hrsg.): Franken in alten Ansichten und Schilderungen. 1967.
Gross, Uwe: Ungewöhnliche Keramikfunde aus den Grabungen des Jahres 2008 in Bruchsal - Teil 1: Ein hortus condusus en miniature (?). In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg - Nachrichtenblatt der Landesdenkmalpflege. 38. Jahrgang 3/2009. S. 186-187. URL: https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/944/. Stand 8. Juni 2025.
Pönitz Cornelia: Eine (außer-)gewöhnliche Gefäßkeramik - Blumentöpfe als Sonderform. In: Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit. Band 36, 2023. S. 53-62. URL: https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/mitt-dgamn/article/view/105438. Stand 26. Mai 2025.

Bild 1: Hans Vintler: Das buoch der tugend, Augsburg, 1486. Bildnr.360.
Public Domain Mark 1.0 Universal via Münchner DigitalisierunsZentrum

Bild 2: Mittelalterliches Hausbuch von Schloss Wolfegg, Doppelseite fol. 18v–19r (Badehaus), ca. 1480.
Anonymous/Unknown author, Public domain, via Wikimedia Commons

Bild 3: Margaret of York before the resurrected Christ, MS Add 7970, f. 1v, 15. Jahrhundert.
Nicholas Finet, Public domain, via Wikimedia Commons


Das Kruseler-Püppchen der Sammlung Spannrad - Ein Update

Bayreuth, 8. Juni 2025

Man ist nur so klug wie das letzte (Fach-)Buch einen gemacht hat. Diesmal bezüglich des Kruseler-Püppchens aus der Sammlung Spannrad, das wir euch HIER im Blog unter FUNDE vorgestellt haben. Wenn ihr euch erinnert, zu dem Püppchen gibt es eigentlich keinerlei Informationen. Noch nicht mal, wo es gefunden wurde.

Aber jetzt hat uns da die Lektüre von "Mode aus Modeln - Kruseler- und andere Tonfiguren des 14. bis 16. Jahrhunderts aus dem Germanischen Nationalmuseum und anderen Sammlungen" zumindest etwas weitergeholfen. Der Titel beschreibt nämlich solche Püppchen in all ihren Varianten als "nur" zwischen der Mitte des 14. Jahrhunderts und dem ersten Drittel des 15. Jahrhunderts vorkommend. Also in etwa zwischen 1350 und 1435. Der Risen-Kruseler den das Püppchen der Sammlung Spannrad trägt, taucht dabei aber erst um 1370 in der Mode der Zeit auf. Was auch dessen möglichen Herstellungszeitraum noch etwas mehr eingrenzt.

Daneben kann man eventuell sogar eine Vermutung bezüglich seiner Herkunft anstellen. Und zwar über die Verzierung der Kleider, die die Püppchen tragen. Üblicherweise, fast standardmäßig, ist dass eine vertikale Reihe kreisrunder Medaillons. Abweichend davon und seltener gibt es auch Beispiele für Kleider, die wie geknöpft erscheinen, oder Kleider, die wie beim Spannrad-Püppchen, mit einer vertikalen Vierpassreihe (Borte?) verziert sind. Letztere gehäuft unter den Nürnberger Funden von Püppchen mit Risenkruseler, aus der Sammlung des GNM*.

Beides zusammen legt nahe, dass das Kruseler-Püppchen der Sammlung Spannrad, mit aller gebotenen Vorsicht, zwischen etwa 1370 und 1435 zu datieren ist und eine deutliche Verwandtschaft zu einem Typ aufweist, der gehäuft in Nürnberg gefundenen wurde. Mehr aber auch nicht. Auch nicht, ob das Figürchen aus der Sammlung Spannrad ein in Nürnberger gemachter Fund ist oder es gar aus einer Nürnberger Werkstatt stammt.

Aber auf jeden Fall haben wir aber unseren Blogbeitrag unter FUNDE und unser PDF "Die mittelalterliche Keramik der Sammlung Xaver Spanrad" das ihr HIER unter AUFSÄTZE im Kapitel ANHANG herunterladen könnt, diesbezüglich aktualisiert.

 

*Germanisches Nationalmuseum Nrnberg

Quelle/Literatur:
Grönke, Eveline und Weinlich, Edgar: Mode aus Modeln - Kruseler- und andere Tonfiguren des 14. bis 16. Jahrhunderts aus dem Germanischen Nationalmuseum und anderen Sammlungen. Nürnberg 1998.


Spätmittelalterliche Bohlenstube - Die Holzkiste im Haus

Bayreuth, 1. Juni 2025

Weitergehen soll unsere lose Serie zum Thema Wohnen in einem spätmittelalterlichen Haus, nach Kachelofen und Küche (siehe HIER im BLOG unter WOHNEN + CO) mit der Stube. Einem Wohnraum im Haus, der mittels eines von außen (meist von der Küche her) betriebenen Ofens rauchfrei beheizt werden kann. So die Volkskunde (1). Geholfen hat uns dabei ein ganz wunderbarer Artikel von Konrad Pedal (2), dem wir hiermit folgen wollen.

Also: Zurückverfolgen kann man die Stube bzw. das Wort "stuba" bis ins 7. Jahrhundert, im Lex Alemannorum. Allerdings bleibt die Funktion der "stuba" dort unerwähnt. Das ändert sich erst im späten 11. und dem 12. Jahrhundert. Dann nämlich findet man in Quellen mit kirchlich-klösterlichem Kontext, das Wort "stuba", für einen beheizbaren Raum. Gemeint war damit wohl eher ein Aufenthaltsraum.

Im profanen Hausbau setzt der archivalische Nachweis für Stuben erst nach 1200 und verstärkt ab 1250 ein. Dabei hauptsächlich in den oberdeutschen Städten (3). Was jedoch nicht heißen soll, dass die Wohnstube als solches nicht doch viel älter sein kann als und die Schriftquellen verraten. Auf jeden Fall kann man davon ausgehen dass sie ab dem Jahr 1300 im städtischen wie auch im bäuerlichen Hausbau gleichermaßen üblich war. Dabei liegt der bisher älteste Baubeleg für so eine hölzerne Stube bei 1264 in Regensburg. Diese hölzernen Stuben kann man sich tatsächlich wie eine Holzkiste vorstellen. Wände, Decke und Boden sind allesamt aus Holz gefertigt aber natürlich mit Tür, Fenstern und eben einem Heizofen versehen. Dabei können die Stubenwände, Balken auf Balken, als Blockbau ausgeführt sein. Solche Stuben findet man, wie eingeschoben, in ansonsten anders gebauten Häusern. Sei es ein Steinbau oder ein Fachwerkhaus.

Alternativ können die Wände dieser "Holzkiste" auch aus Bohlen, relativ dicke und breite Bretter, gefertigt sein, welche dann wie Gefache in das Balkenwerk der Fachwerkkonstruktion eingenutet werden und damit Teil der Fachwerkwand selbst sind. Hölzerne Gefache sozusagen. Welche dann wiederum an der Aussenseite noch mit Strohlehm verputzt sein konnten, was um 1400 wohl schon Standard war.

Daneben wiederum, gab es noch, wenn auch selten, noch Wohnstuben mit sogenannten Spundwänden. Hierbei wurden die Gefache des Fachwerks mit senkrecht stehenden dicken und beidseitig genuteten Bohlen, die sich mit darin eigenuteten Bretter abwechselten, geschlossen.

Die Stubendecken bestanden in ihrer einfachsten Form und dass zurück bis ins 12. Jahrhundert, aus den Balken der Fachwerkkonstruktion auf welche Bohlen aufgelegt waren. Diese bildeten dabei nicht nur die Stubendecke selbst, sondern auch den Unterbau des Fußbodens der darüberliegenden Etage.

Eine weitere Art der Stubendecke waren die sogenannten Spunddecken. Auch hier lösen sich, wie bei der Spundwand, dicke Bohlen die beidseitig genutet sind mit dünneren, darin eingenutete Bretter ab. Es gab sie als Einheit aus den tragenden Balken des Fachwerks und darin eingenuteten Brettern , aber auch als eigenständige, unter den Balken „hängende“ Decke. Letztere findet sich nicht nur als gerade, sondern auch als seitlich geschrägte (besonders im 14. und 15. Jahrhundert) und als gewölbte Spunddecke. Natürlich konnten solche Decken und Wände auch verziert sein. Schnitzereien und Bemalungen lassen sich hier nachweisen. Letzteres allerdings erst nach 1500 (4). Schnitzereien dagegen bereits ab der Zeit um 1400.
Licht kam zu Anfang durch, oft mehrere, relativ kleine Fensteröffnungen in den Bohlen in die Stube. Nachweisbar seit Beginn des 14. Jahrhunderts. Um 1400 herum, lassen sich in den Bohlenstuben dann auch Fenster mit eigenem Fensterstock finden. Nach 1400 aufkommend und um 1450 üblich waren auch sogenannte Fenstererker. Hierbei trägt ein, um etwa balkendick aus der Fassade vorkragender sog. Fensterriegel den Fensterstock oder ein Fensterband (mehrere Fenster nebeneinander).

Die Stube im städtischen Wohnhaus befand sich üblicherweise in einer der zur Gasse oder zu einem Platz hinweisenden Hausecken, egal ob im Erdgeschoss oder in einem der Obergeschosse. Daneben, befand sich der Flur durch welchen die Stube, sowie auch alle anderen Räume der Etage, erschlossen waren. Hinter der Stube, quasi Wand an Wand und ebenso durch den Flur zu betreten, befand sich üblicherweise die Küche. Aus ihr heraus wurde (siehe ebenfalls HIER im BLOG unter WOHNEN + CO), spätestens seit der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, der Stubenofen betrieben und damit die Stube komplett rauchfrei beheizt (5). Es blieb aber nicht immer bei nur einer Stube bleiben. Auch Häuser mit mehreren Stuben sind bekannt. Diese können sich dann auf einer, oder über mehrere Etagen verteilen. So zum Beispiel im 13./14. Jahrhundert in Regensburg. Hier lag die eigentliche Wohnstube eher gassenseitig, die zweite dagegen hofseitig im Gebäude. Überliefert sind diesbezüglich beispielsweise Feststuben, Schreibstuben, (tatsächlich) Badstuben und Austragsstuben. War ein Haus stockwerksweise vermietet, hatte natürlich jede Wohnung auf ihrer Etage eine Stube. Zwei sehr schöne Beispiele für solche Stuben kann man übrigens, wen wundert’s, im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim besichtigen. Dies sind die Stube im sogenannten Kleinen Bürgerhaus aus Wolframs Eschenbach von 1410 und die sogenannte Fest- oder Prunkstube im nebenan stehenden Hinterhaus aus Eichstätt von 1322. Beide Gebäude findet man in der Baugruppe Stadt.
Aber leider zeigen die Bohlenstuben dort, ihre vormalige Einrichtung nicht in Gänze. Dafür bedarf es der zeitgenössischen Kunst. In diesen Fall "Die Spinnstube" von Barthel Beham. Zwar ist dieser Holzdruck erst um 1524 entstanden, zeigt aber trotzdem sehr anschaulich wie man sich die Möblierung einer solchen spätmittelalterlichen Stube vorstellen kann.. Zu sehen sind dort, neben dem Kachelofen natürlich, wandfeste Bänke neben der Tür, entlang der Fensterwand und neben dem Kachelofen. Dazu ein Tisch und weitere, mobile, Bänke und Hocker. Über dem Kachelofen, eine wagerecht aufgehängte Stange zum Trocknen oder Aufbewahren von Kleidung und einige Wandhaken(?) zum aufhängen diverser Utensilien. Und hinter der Tür, der Platz für Giessfass (Lavabo) und Waschschüssel oder später dann, den sogenannten Waschkasten (-schrank). Das Handtuch über seinem Halter ganz links im Bild, deutet dies an.

 

Quellen/Literatur:

1)Stelzle-Hüglin 2004, S. 321.

2) Bedal, Konrad: Wohnen wie zu Dürers Zeiten - Stuben und Wohnräume im süddeutschen, insbesondere fränkischen Bürgerhaus des späten Mittelalters. In: Großmann, G. Ulrich und Sonnenberger, Franz (Hrsg): Das Dürerhaus - Neue Erkenntnisse der Forschung. Dürerforschung Band 1. Nürnberg 2007, S. 27-60.

3) Oberdeutschland umfasst (grob umrissen) Deutschland südlich der Mainlinie inkl. das östliche Elsass, die Deutschschweiz und das westliche Österreich.

4) Einzige nachweisbare Ausnahme lt. Bebal: Eine Bohlenstubenwand in Windsheim aus dem Jahr 1355.

5) Davon abweichend und noch bis ins ausgehende 14. Jahrhunderts eher die Regel, gab es daneben noch Häuser mit sog. Flurküche. Hierbei befindet sich der Arbeitsplatz Küche im Flur des Hauses. Und damit auch das Schürloch des Stubenofens.
Daneben noch, eher als Ausnahme zu betrachten, auch noch spätmittelalterliche Häuser in denen die Kachelöfen tatsächlich nicht von der Küche aus, sondern vom Flur aus befeuert wurden. Siehe: Bedal, Albrecht: Flurküchen, Herde, Rauchfänge im Fachwerkhaus Südwestdeutschlands. In: Klein, Ulrich; Jansen, Michaela; Untermann, Matthias: Küche Kochen Ernährung - Archäologie, Bauforschung, Naturwissenschaften. Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit, Band 19, Paderborn 2007, S. 171-182. URL: https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/mitt-dgamn/issue/view/1845. Stand 4. November 2024.

Bild 1: Bohlenstube im sog. "Kleinen Bürgerhaus aus Wolframs-Eschenbach" im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim, Baugruppe Stadt.

Bild 2: Fest- oder Prunkstube mit geschnitzter Spunddecke im sog. "Hinterhaus aus Eichstätt" im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim, Baugruppe Stadt.

Bild 3: Kleine Stubenfenster in einer unverputzten Bohlenwand im sog. "Hinterhaus aus Eichstätt" im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim, Baugruppe Stadt.

Bild 4: Fenstererker im sog. "Hinterhaus aus Eichstätt" im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim, Baugruppe Stadt.

Grafik: Bohlenwand (links) und Spundwand (rechts). Ansicht vom Raum aus.

Holzdruck: Sebald Beham: Die Spinnstube, 1524, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe. URL: https://www.kunsthalle-karlsruhe.de/kunstwerke/Sebald-Beham/Die-Spinnstube/DE1596364A3285104E7908BE959BA9E4/. Stand 11. März 2025. Creative Commons CCO.


Wetzrillen - Wieso? Weshalb? Warum?

Bayreuth, 26. Mai 2025

Sie sind nahezu in ganz Europa zu finden. Natürlich auch in Bayreuth. Wahrscheinlich kennt sie auch jeder ... und rätselt darüber. Die an einen Schiffsrumpf erinnernden Eintiefungen im Sandstein- und im Norden auch in Ziegelmauerwerk historischer Gebäude. Die sogenannten Wetz- oder Schleifrillen. Manchmal auch als Pestrillen oder Teufelskrallen bezeichnet. Oftmals von den sogenannten „Näpfchen“ begleitet. Nahezu halbkugelförmige Vertiefungen. Letztere meist an Sakral-, seltener an Profanbauten.

Leider sind zu Wetzrillen und Näpfchen weder deren Zweck noch das „Werkzeug“, welches solche Spuren im Stein hinterließ, überliefert. Bei den Wetzrillen in steinzeitlichen Höllen, in Tempelanlagen in Ägypten oder an mittelalterlichen Gebäuden durchaus nachvolziehbar, Wenn man aber bedenkt, dass sie sich auch an Gebäuden finden, die erst im 19. Jahrhundert errichtet wurden, wie zum Beispiel am 1803 erbauten Komunbrauhaus in Creußen (Oberfranken), ist das doch eher verwunderlich. War Vorgang/Tätigkeit vielleicht so profan und alltäglich, dass niemand auf die Idee kam, es niederzuschreiben? Damit geht einher, dass sich auch der Entstehungszeitraum der Rillen eines Gebäudes nur selten fassen lässt. Ist es doch gut möglich und scheinbar auch vereinzelt nachgewiesen, dass sie eben nicht bauzeitlich, sondern deutlich jünger sind.

Niedergeschrieben gibt es dagegen eine Vielzahl von Erklärungsversuchen. Dem Autor dieser Zeilen wurden beispielsweise schon zu Schulzeiten erklärt, dass die Wetzrillen beim Nachschleifen der Messer und (Hack-)Beile der Marktleute und Handwerker entstanden seien. Für uns heute ist das nur schwer vorstellbar, bedenkt man die Qualität eines tatsächlichen Wetzsteins.

Eine weitere der vielen Thesen bezüglich der Wetzrillen, die man häufig hört, wurden Anfang der 2000er Jahre von Georg Steffel erneut aufgegriffen. Demnach sind die Wetzrillen beim Feuerschlagen entstanden. Man entzündete also bei Dunkelheit an der Wand des gerade verlassen Hauses (oder Kirche) mit Schlageisen und Zunder sein Laternenlicht. Wie gesagt, oft gehört und gelesen. Bemerkenswert bei Steffel, er hat nicht nur bereits vorhandene Quellen zurate gezogen, sondern auch (hier in Bayreuth) den praktischen Versuch unternommen.

Dabei gelang es ihm erfolgreich, an einer Sandsteinwand mit Schlageisen und Zunder « … ohne besonderen Aufwand und mit Regelmäßigkeit Feuer aus Sandstein zu entfachen. » und anschließend unter Zuhilfenahme einer kleinen Menge Hobelspäne eine Kerze zu entzünden. Nachzulesen im Archiv für Geschichte von Oberfranken, Band 86.

Trotzdem, auch wenn damit bewiesen ist, dass es tatsächlich möglich ist auf diese Art sein Laternenlicht anzuzünden und dabei auch indireket, warum Wetzrillen gleichermassen an Sakral- wie an Profanbauten zu finden sind, bleibt für uns die Frage: Warum man sein Laternenlicht nicht an einer der Kerzen oder Öllichter entzündete, die bei Dunkelheit sicherlich ohnehin in dem Haus brannten, das man zu verlassen vorhatte? Fällt euch ein Grund ein?

Aber egal und wie dem auch sei, wenn wir euch jetzt neugierig gemacht haben, schaut unbedingt auch mal auf schabespuren.de vorbei. Dort gibt es neben unendlich viel Wissenswertem zum Thema auch hunderte von Fundorten katalogisiert. Darunter auch der Verweis auf Rillen die deutlich jünger sind als die Gebäude in die sie eingeschliffen wurden und auch (vermutlich) alle Wetzrillen an Bayreuther Gebäuden. Und klickt/lest ruhig mal in unsere hier unten angehängte Quellen-/Literaturliste rein. Es lohnt sich. Vor allem bezüglich weiterer Deutungen.

 

Quellen/Literatur:

Steffel, Georg: Die rätselhaften Rillen. In Archiv für Geschichte von Oberfranken, Band 86, 2006. S. 255-262.

Seidl, Heinrich: Schalen und Wetzrillen an Kirchen und Kreuzen in Franken (Teil 2). URL: http://frankenland.franconica.uni-wuerzburg.de/login/data/1993_55.pdf. Stand. 18. Mai 2025.

Heller, Hartmut: Denk mal! - Unscheinbare Narben im Stein. URL: http://frankenland.franconica.uni-wuerzburg.de/login/data/1993_38.pdf. Stand 18. Mai 2025.

Bild 1: Stadtkirche, rechts des Westportals.

Bild 2: Kanzleistaße 9, rechts der Eingangstür


Zweireihiger Dreilagenkamm - Wer Spiegel hat, muss auch Kamm haben

Bayreuth, 18. Mai 2025

Auch wenn Kämme europaweit in allen Fundzusammenhängen vorkommen und in Bayreuth eine Knochenschnitzerwerkstatt (1) ergraben wurde, gibt es in der Stadt keinen einzigen archäologischen Fund eines Kamms. Trotzdem hat man sich auch damals wie heute in jedem Bayreuther Haushalt sehr wohl die Haare (und ggf. den Bart) gekämmt. Da sind wir uns sicher! Vielleicht ja mit einem solchen, wie im Bild gezeigten, zweireihigen Dreilagenkamm. 

Da es, wie gesagt, keinen regionalen Fund gibt, haben wir uns bei unserer Rekonstruktion entschieden, auf jegliche Verzierungen, wie zum Beispiel Kreisaugen oder Linien auf den Kammleisten oder Kammenden, zu verzichten. Wie zum Beispiel bei einem Fund aus Gifhorn (Niedersachsen). Dort grob ins 14./15. Jahrhundert datiert. Oder dem Fragment einer (wahrscheinlichen) Kammleiste aus Bamberg. Gefunden im Abfall einer Knochenschnitzerwerkstatt am Am Kranen, die dort zwischen 1320/50 und um 1460/70 tätig war (2). Und da wir den hier gezeigten Kamm mit dem vor kurzem ebenfalls hier (12. April 2025) vorgestellten Spiegel vergesellschaften wollen, gibt es das gute Stück ab sofort und dauerhaft auch HIER bei uns unter DIES + DAS. Im Kapitel HAB + GUT.

Gefertigt waren solche Kämme meist aus Knochen/Bein oder Geweih. Seltener aus Elfenbein oder Walrosszahn (3). Namensgebende beim Dreilagenkamm sind ganz profan die drei Lagen, aus denen sich der Kamm zusammensetzt. In der Mitte, die wiederum aus mehreren Einzelteilen bestehende Zinkenplatte. Davor und dahinter, die beiden Kammleisten (Deckplatten). Diese werden mittels Eisen- oder Bundmetallnieten zusammengehalten. Die Zinken wurden übrigens erst nach dem Zusammennieten gesägt. Die teilweise augenscheinlich beim Einsägen „verletzten“ Kammleisten lassen dies vermuten.

Ach ja! Neben dem Dreilagenkamm und dem ebenfalls HIER unter DIES + DAS im Kapitel HAB + GUT schon länger gezeigten Langzinken- oder Steilkamm finden sich im mittelalterlichen Europa auch noch sogenannte, meist zweireihige, Einlagenkämme (4). Diese ähneln durchaus den heutigen Nissenkämmen, die es in jedem Drogeriemarkt zu kaufen gibt. Sie sind mindestens seit der römischen Kaiserzeit (5) nachweisbar und finden sich im Fundgut noch weit über das Mittelalter hinaus (6). Sie waren ebenfalls aus Knochen/Bein, Geweih (7), Horn oder Buchsbaumholz gefertigt. Letzteres vor allem in Regionen, in denen der Buchsbaum natürlich vorkam (8). 

Und was denkt ihr? Seit wann bringt sich der Mensch unter Zuhilfenahme eines Kammes die Haare in Form? Richtig gewusst, auf jeden Fall seit dem Mesolithikum (Mittelsteinzeit) (9)!

 

1) Die in Bayreuth ergrabene Knochenschnitzerwerkstatt datiert in die zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts und stellte Beschlagplatten her. Möglicherweise für Pferdesättel. Siehe: Müller, Jakob: Schulmeister und Knochenschnitzer. Archäologische Ausgrabungen in Bayreuth. Bamberg 1996. S. 51f.

2) Flatscher 2016, S. 173

3) Peine u. Wolpert 2018, S. 178

4) Ebd., S. 179

5) Siehe: https://www.saalburgmuseum.de/digitales/digitale-sammlung/

6) Erath 1996, S. 181

7) Hogarth 2015, S. 41

8) Erath 1996, S. 183

9) Schmidt, Nedoma u. Düwel 2013, S. 267


Latrinen! und Ehgräben? in Bayreuth - Schon wieder eine Spurensuche

Bayreuth, 11. Mai 2025

Wie wurde im mittelalterlichen Bayreuth entsorgt was aus dem Haus musste? Wasch- oder Spülwasser und natürlich das kleine und große Geschäft. Ganz allgemein und sofern man sich an die Regeln hielt, landeten diese Hinterlassenschaften beim Mist der eigenen Tiere (auch in der Stadt) oder in einer Latrine hinter dem Haus (1) oder eben im Ehgraben. Jenem schmalen Gang zwischen zwei Häusern, der auch das Dachwasser auffing.

Der Vorteil der Latrine: Die flüssigen Bestandteile der Hinterlassenschaften blieben, wo man sie hingab. In der Latrine eben. Beim Ehgraben dagegen mussten diese über Dolen (2) in den nächstgelegenen Stadtbach (3) und mit dem aus der Stadt geleitet werden. In den Ehgräben zurück blieben nur die festen Bestandteile welche dann, ebenso wie eine Latrine, von Zeit zu Zeit gefegt werden mussten. Das übernahmen meist Fachleute. Die Abortreiniger. Auch Privetfeger, Heimlichgemachfeger genannt. Oder nach ihrer Arbeitszeit in der Nacht (4) auch Nachtmeister. In Nürnberg nannte man sie überdies auch noch Pappenheimer (5). Geleert wurde übrigens bevorzugt in der kalten Jahreszeit (6).

Aber zurück nach Bayreuth. Was lässt sich hier über die Abwasserentsorgungspraxis sagen? Was verraten uns die Quellen? Es gab wohl beides! Gesichert sind auf jeden Fall aber Latrinen. Nachgewiesen 1989/90 am/im heutigen „Historischen Museum“ mit der archäologischen Ausgrabung "Alte Lateinschule". Hier kamen eine relativ flache Erdgrube zutage, deren Sohle mit einer Bretterlage befestigt/abgedichtet war und die als Latrine benutzt wurde und deren Verfüllung in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts datiert. Nur wenige Meter weiter, im Foyer des heutigen Museums, eine mehrere Meter tiefe Kastenkloake/-latrine. Bei ihr liegt die Entstehung vermutlich in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts und ihre letzte Verfüllung in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts (7).

Damit hat es sich eigentlich schon wieder. Zumindest mittelalterlich. Wenn man allerdings noch einen Blick ins 16. Jahrhundert wirft, sieht die Sache schon anders aus. Da wären zum einen archäologisch gesichert, der Abschnitt einer steinernen Abwasserrinne aus dem 15./16.Jahrhundert in der oben genannten Ausgrabung "Alte Lateinschule" (8). Daneben noch Abwasserkanäle in den Grabungen Maximilianstraße 62/Alte Sparkasse und Maximilianstraße 48/ZOH. In beiden Fällen wohl aus dem 16. Jahrhundert. Und dann natürlich der Tappert. Ein künstlicher und zuerst offener Bachlauf der vom Oberen Tor her über den Marktplatz floss und die Stadt auf dem Grundstück Maximilianstraße 62, unter der Stadtmauer hindurch, wieder verlies. Sofern man ihn als Abwasserkanal sehen will. Sollte er doch vornehmlich der Versorgung der Stadt mit Lösch- und Trinkwasser dienen. Das er aber trotzdem auch zur Abwässerentsorgung missbraucht wurde, zeigen Verordnungen die eben genau dass untersagten (9).

Unbekannt ist aber auch, welcher Art die Abwässer waren die über die dort gefundenen Kanäle entsorgt wurden. Waren es nur die Dach- und Abwässer der Häuser oder auch Fäkalien die man so "kanalisiert" aus der Stadt schaffte? Hierzu schweigen die wenigen erhaltenen Quellen. Ausser für einen kleinen Teil der heutigen Gassenaltstadt. Für die Kämmereigasse. Für sie findet sich, für 1539 belegte, der Name "Kottgass" und ihre Beschreibung als schmale Gasse (eher ein Gang) durch welche ein Seitenarm des Tappert floss und über den dort die Abwässer UND Fäkalien entsorgt wurden (10). Eine Frage bleibt aber auch hier. Wie gelangten die Abwässer in den Bach/Kanal?. Goss man sie direkt hinein, bzw. standen die Abtritte direkt am Bachlauf, oder leitete man sie aus den damals möglicherweise tatsächlich vorhandenen Ehgräben, über Dolen in den Bach. Eine Frage die vielleicht einmal eine archäologische Grabung in der heutigen Kämmereigasse klären wird, die aber im Moment und mit den uns zu Verfügung stehenden Quellen, nicht zu klären ist.

 

1) Kenzler u. Ericsson, 2006, S. 92

2) Dole, Dollen, Tolen = Aus dem althochdeutschen „Dola“ für  Röhre oder Rinne. Beschrieben als mit Holz oder Stein gefasste Abwasserrinne. Manchmal auch abgedeckt.

3) Weech 1862, S. 200

4) Um die Geruchsbelästigung der Anwohnerschaft gering zu halten.

5) Schubert 1985, S. 104f.

6) Weech 1862, S. 113

7) Müller J. 1996, 21ff.

8) Ebd. S. 75

9) Aas 2011, S. 46f.

10) Kohlheim 2006, S.60

Oberes Bild: Rekonstruierter Abtritt auf einer Kastenkloake/-latrine. Bachritterburg/Kanzach.

Unteres Bild: Ehgraben? Traufgasse? Zugang zum Hofraum? Bayreuth, Maximilianstraße.


Geschichtspark Bärnau-Tachov - Bayreuth1320 fast allein im Museum

Bayreuth/Bärnau 5. Mai 2025

Ein wunderbarer Sonnen- und Brückentag, um seine Klamotte auszuführen und neue Leute zu treffen. Ein Tagesausflug in den Geschichtspark Bärnau-Tachov stand an. Aber leider war der, bis auf zwei Häuser, komplett darstellerfrei. Irgendwie schade. Wie auch immer, belebt wurden die beiden Häuser im "Hochmittelalter" von der Gruppe Mark Meissen. Tolle Leute, groß wie klein und ein schöner Tag mit guten Gesprächen und gutem Essen. Danke für Letzteres an Sandrina von Mark Meissen und De Timmermansche. Die hatten sich nämlich für diesen Tag zum gemütlichen Gemeinsamkochen verabredet. Nur wirklich schade, dass der Park, wie gesagt, an einem Brückentagwochenende so verweist war, hatten wir doch auf den einen oder anderen alten Bekannten gehofft. Aber möglicherweise war das am eigentlichen Wochenende ja anders und wir haben uns nur den falschen Tag ausgesucht.

Aber was soll's, spätestens am Pfingstwochenende (6. - 9. Juni 2025) zu den Thementagen Weibsbilder – Frauen schreiben Geschichte wird der Laden bestimmt um einiges voller.


Nürnberg gezeichnet - Gotik für an die Wand

Bayreuth/Nürnberg 27. April 2025

Schaut mal, was wir am Hauptmarkt in Nürnberg im Schaufenster der ältesten Buchhandlung Deutschlands (gegründet 1531), der Buchhandlung Korn und Berg, entdeckt haben. Handsignierte Drucke des in Nürnberg lebenden Architekturhistorikers, Zeichners und Fotografen Pablo de la Riestra.

In diesem Fall, Grafiken der drei großen gotischen Kirchen Nürnbergs: Frauenkirche, St. Lorenz und St. Sebald. Jede für sich, herausgenommen aus dem Stadtbild und nur für sich selbst sprechend. Großartige Idee und großartige Umsetzung, wie wir finden.

Doch damit nicht genug. Eine Auswahl der Nürnberger Werken von Pablo de la Riestra wird vom 8. bis zum 31. Mai in der w-i Galerie in Nürnberg zu sehen sein. Begleitet von drei Vortragsabenden unter dem Titel Nürnberg sehen lernen, am 8., 15. und 22. Mai. Aber Achtung, die Vortragsabende finden abweichend im Burghotel Nürnberg, Lammsgasse 3, statt.