Bayreuth Mittelalter 14. Jahrhundert

BLOG

Willkommen auf unserem Blog. Natürlich geht es hier bei uns rund ums Thema Mittelalter. Dabei ist es egal ob es über uns, mit uns, von uns, oder einfach nur von uns aufgetan ist. Ob Archäologie, Ausstellung, Buch, Museum, Reenactment, oder oder oder. Wenn es uns bemerkenswert erscheint, findet Ihr es hier. Also schaut einfach ab und zu mal vorbei.


Kochtopf - Aus dem Depot geholt III

Bayreuth, 21. Juli 2024

Eigentlich fällt uns nichts ein, was man über einen solchen Topf noch (siehe hier in Blog 28. Januar 2024) sagen könnte, oder was nicht schon über solche mittelalterlichen Töpfe gesagt worden ist. Und auch über diesen Topf aus der Sammlung Xaver Spanrad, die sich heute im Archäologischen Museum Bayreuth befindet, wissen wir auch nicht mehr als die unten stehenden Fakten, die uns der Topf selbst geliefert hat. Außer vielleicht, dass es sich wohl tatsächlich um einen Kochtopf handelt. Die heute noch deutlichen (fest anhaftenden) Verkrustungen im Topf legen das nahe. Auch eine vorsichtige Idee zur Datierung haben wir zwischenzeitlich erhalten. Einen ehrenamtlichen Restaurator der Stadtarchäologie Nürnberg, erinnert er an Nürnberger Töpfe aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts.

Trotzdem hier noch eine Bitte: Da uns, wie gesagt, zu diesem Stück jedwede Provenienz fehlt, vielleicht kennt ja der eine oder andere Leser vergleichbare oder ähnliche Funde, bzw. Scherben vergleichbarer Stücke, die uns und dem Archäologischen Museum helfen könnten, dieses Stück aus der Sammlung Xaver Spanrad einzuordnen. Schreibt uns. Mail genügt.

 

Fundort: Unbekannt

Datierung: Unbekannt

Größe: RDm 11 cm, Dmax. 12,4 cm, BDm 6,7 cm, H 12 cm

Rand: Leistenrand, mässig unterschnitten und ohne Deckelfalz.

Warenart: Im Bruch beige, an der Oberfläche hell- bis mittelgrau. Die Oberfläche erscheint aussen anthrazitfarbig beschichtet. Magerungspartikel von 1,1 bis 1,5 mm, selten 1,8 mm und grösser. Innen wie aussen kaum Drehspuren sichtbar. Mittelhart gebrannt.

Sonstiges: Deutlich sichtbare Anhaftungen an der Gefässinnenseite.

 

RDm = Randdurchmesser, Dmax. = Maximaler Durchmesser, BDm = Boderdurchmesser, H = Höhe.


GebrauchtBETTENhändler im Spätmittelalter - Kurz und knapp III

Bayreuth, 14. Juli 2024

Nur der Vollständigkeit halber! Neben den in unserem Blogbeitrag vom 8. Mai 2024 kurz angesprochenen Handel mit Altkleidern und Altschuhen, findet sich in der dabei zitierten Arbeit von Susanne Mosler-Christoph "Die Materielle Kultur in den Lüneburger Testamenten 1323 bis 1500", auch noch der Hinweis auf den Handel mit gebrauchten Betten und gebrauchtem Bettzeug. Also auch hier Secondhand. Dabei ist interessant, dass Gebrauchtbettenhandel und Altkleiderhandel scheinbar miteinander einhergingen (1). Allerdings lässt sich nicht herauslesen, ob der Altkleiderhändler dabei nur die Bettausstattung, oder auch das Bettmöbel übernahm.

Wobei mit den so vererbten Bettgestellen nicht die großen, fest eingebauten Betten gemeint waren. Diese wurden als Teil des Gebäudes angesehen und verblieben in diesem, sondern vielmehr die so genannten Tragbetten. Also Betten, die von ihrer Bauart her mobil und eben nicht fest mit dem Gebäude verbunden waren (2).

 

1) Mosler-Christoph 1998, S. 148
2) Ebd. S. 143f


Fünfpassbecher - Aus dem Depot geholt II

Bayreuth, 7. Juli 2024

Dass es, wenn auch nicht so häufig, Mehrpass(trink)becher auch mit mehr als vier "Pässen" gibt ist hinlänglich bekannt. Ein sehr schönes Beispiel dafür haben wir hier für Euch. Ebenso wie schon der hier letzte Woche (30. Juni 2024) vorgestellte Vierpassbecher gehört dieses Stück in die Sammlung Xaver Spanrad, die heute im Archäologischen Museum Bayreuth aufbewahrt wird.

Leider ist über dieses Stück nichts bekannt, außer dass es vermutlich in Ebermannstadt gefunden wurde. Abgesehen davon, bleiben nur die Fakten, die uns der Becher selbst liefern kann.

Fundort: Vermutlich Ebermannstadt (Oberfranken)

Datierung: Unbekannt

Größe: RDm 12 cm, Dmax. 11 cm, BDm 7 cm, H 12 cm

Warenart: Mittelgrau, Oberfläche dunkelgrau bis anthrazit, Scherben erscheint wie gemantelt. Magerungspartikel von 0,9 - 3,7 mm. Mittelhart gebrannt.

 

Und nun noch eine Bitte: Vielleicht könnt Ihr für uns und das Archäologische Museum Bayreuth die Herkunft dieses Bechers verifizieren. Eventuell kennt ja sogar jemand von Euch den genauen Fundort in/um Ebermannstadt. Oder jemand von Euch kann uns und dem Museum über einen Hinweis zu vergleichbaren Fundmaterial aus der Region, bei der Datierung helfen. Schreibt uns. Mail genügt.

 

RDm = Randdurchmesser, Dmax. = Maximaler Durchmesser, BDm = Boderdurchmesser, H = Höhe.


Vierpassbecher - Aus dem Depot geholt

Bayreuth, 30. Juni 2024

Das Archäologische Museum Bayreuth hat uns erfreulicherweise wieder einmal in sein Depot eingeladen. Diesmal wurde für uns eine Auswahl mittelalterlicher Stücke aus der Sammlung Xaver Spanrad aus dem Regal geholt. Leider gibt es zu den Stücken nicht viel zu sagen. Herr Spanrad hat für die meisten der uns gezeigten Stücke die jeweilige Provenienz, vor seinem Ableben im Sommer 2020, nicht weitergegeben. Dennoch ist es uns ein Anliegen die Stücke hier bei uns im Blog mit Euch zu teilen. Und vielleicht gelingt es uns auf diesem Weg gemeinsam mit Euch, über vergleichbare Funde mehr über das jeweilige Stück herauszufinden.

Beginnen wollen wir mit dem prominentesten und einzigen Stück mit Provenienz aus der Sammlung, einem Vierpass(trink)becher. Dieser war nämlich bereits 1997 in der Ausstellung "Ritter Burgen Dörfer - Mittelalterliches Leben in Stadt und Land" im Fränkische Schweiz-Museum Tüchersfeld zu sehen. Und bevor wir jetzt noch lange herumtippen … hier die Fakten:

 

Fundort: Im Fluß Trebgast bei Harsdorf (Oberfranken).

Datierung: Anfang 14. Jahrhundert.

Größe: RDm 9,7 cm, Dmax. 10,2 cm, BDm 8 cm, H 15 cm.

Warenart: Elfenbeinfarbig, Oberfläche rötlich beige bis rotbraun. Oberfläche der Gefässinnenseite kreidig. Magerungspartikel

von 0,8 bis 1,3 mm, selten grösser. Mittelhart gebrannt.

 

RDm = Randdurchmesser, Dmax. = Maximaler Durchmesser, BDm = Boderdurchmesser, H = Höhe.


Ein archäologischer Rundgang durch die Stadt - Aller guten Dinge sind drei

Bayreuth, 23. Juni 2024

Erinnert ihr euch noch an den Archäologischen Rundweg, über den wir hier (14. Januar 2024 und 8. Juli 2023) auch schon berichtet haben? Vielleicht habt ihr ja die 12 Stelen, die im Stadtgebiet verteilt über das historische Bayreuth berichten, auch schon selbst erkundet? Und eventuell kennt ihr auch schon die das Projekt begleitende und ganz hervorragende Homepage ARCHÄOLOGIE-RUNDGANG DER STADT BAYREUTH - Ein archäologischer Rundgang durch die Stadt "mit Hartmut Endres“. Wenn euch das gefallen hat, haben wir hier noch mehr Material für euch. Die Broschüre, Bayreuther Unterwelt - Ein archäologischer Rundgang durch die Stadt, von Hartmut Endres. Erhältlich (wenn auch ständig vergriffen) im Rathaus und (solange der Vorrat reicht) im Archäologischen Museum Bayreuth.
Legt euch das Teil unbedingt zu. Denn nicht alles was auf den Stelen zu lesen steht, steht auch in der Broschüre oder der Homepage. Und nicht alles was auf der Homepage zu lesen ist, findet sich in der Broschüre oder auf den Stelen. Und zu guter Letzt, nicht alles was man in der Broschüre nachlesen kann, ist auf der Homepage oder auf den Stelen zu erfahren. Aber auch wenn jedes für sich mehr als sehens- und besuchenswert ist, erst alles zusammen ergibt ein großartiges Bild vom historischen Bayreuth und seiner archäologischen Spuren unter dem Straßenpflaster. Deshalb hier noch einmal von uns, an alle Beteiligten und Verantwortlichen, die den "Archäologie Rundgang - Stadt Bayreuth" ermöglicht, gefördert und auf die Beine gestellt haben: Gute Arbeit.


Die Mietwohnungen im Badhaus aus Wendelstein - Schöner wohnen im Spätmittelalter

Bayreuth, 16. Juni 2024

Schau schau ein Badhaus. Im Sommer 2022 eröffnet, steht im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim ein (spätmittelalterliches) Badhaus aus dem Jahr 1450. Und das Beste daran: Das Bad im Erdgeschoss ist funktionsfähig rekonstruiert. So weit so sensationell und unseres Wissens nach einmalig. Vor allem, weil es jedes Jahr zu den Mittelaltertagen in Betrieb genommen und von den Darstellern genutzt wird. So genutzt, dass man als Besucher, einen ganz hervorragenden Einblick in den tatsächlichen Badebetrieb eines solchen Badhauses werfen kann. Na wenn dass kein Grund ist, endlich mal, oder endlich mal wieder, die Mittelaltertage im Fränkische Freilandmuseum zu besuchen, dann wissen wir auch nicht.

Aber es geht fast noch besser. Denn im Ober- und Dachgeschoss des Badhauses, neben der Wohnung des Baders, Mietwohnungen. Dabei ist leider nur die Wohnung des Baders vollständig rekonstruiert und eingerichtet. Die eigentlichen drei Mietwohnungen sind dagegen nur teilrekonstruiert. Aber immerhin so weit, dass sie einen guten Eindruck von den Wohn- und Platzverhältnissen in einer mittelalterlichen Mietwohnung vermitteln.

Dazu ein paar Zahlen dazu (1): Die Wohnung des Baders im Obergeschoss (Wohnung 1) hat 85,5 Quadratmeter, die Wohnungen 3 und 4 haben jeweils knapp 43 Quadratmeter. Allesamt bei einer Raumhöhe von 3,07 Metern. Wie und von wem der Flur vor den Wohnungen 3 und 4 und die Kammer am Ende des Flurs genutzt wurden ist unbekannt. Möglich wäre eine Nutzung, als erweiterter Wohnraum, als Lagerfläche oder Arbeitsbereich. Letzteres wäre zum Beispiel denkbar wenn eine Wohnung an einen Handwerker vermietet war und dieser sein Handwerk zu Hause (im Flur vor seiner Wohnung) ausgeübt hat. Wohnung 2 im Dachgeschoss hat dann noch einmal 47,5 Quadratmeter bei einer Raumhöhe von knapp 2,5 Metern.

Erschlossen sind die Wohnungen in Ober- und Dachgeschoß ausschliesslich über eine Aussentreppe. Diese führt auf eine Altane und diese zu den drei Haustüren. Die erste Haustür öffnet sich in die Wohnung des Baders (Wohnung 1), die mittlere Tür zu einem innenliegenden Treppenhaus das die Wohnung 2 im Dachgeschoss erschließt und die letzte Haustür öffnet den Zugang zu den Wohnungen 3 und 4.

So, und jetzt setzt das mal in Kontext zum finsteren Fernsehdoku-Mittelalter mit seinen ach so schrecklichen Wohnverhältnissen. Passt irgendwie nicht. Schon gar nicht, wenn man liest, wer die Wohnungen einst gemietet hatte. Für die Zeit von 1474 bis 1565 ist das für das Wendelsteiner Badhaus in den Jahres-Manualen des Nürnberger Heilig-Geist-Spitals überliefert. Teilweise, wenn auch selten, sind dort auch die Berufe der Mieter überliefert. Kürschner, Büttel, Richterknecht und Gerichtsknecht finden sich darunter. Allesamt wohl eher der Unterschicht ihrer Zeit zuzuordnen. Aber offensichtlich doch in der (finanziellen) Lage, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und dabei gar nicht so schlecht zu wohnen.

 

1) Alle Daten aus: Gottschalk, Dieter: Das Badhaus aus Wendelstein. In: Krieger, Julia (Hrsg): Wohnen ohne Eigentum - Mieten und Bauen in Land und Stadt seit dem Mittelalter in Franken. Aus der Reihe: Geschichte und Kultur in Mittelfranken, Band 10. Baden Baden 2022. S. 141-160.


Initiale Wenzelsbibel 1390-1400

Update bzgl. Wenzelsbibel digital - Kurz und knapp II

Bayreuth, 8. Juni 2024

Die Digitaledition der Wenzelsbibel (ca. 1390-1400) hat ein Update bekommen. Aktueller Stand jetzt: Version 3.0.0 vom 6. Mai 2024. Mit dem Update sind nun die Folios 1r bis 98v von den insgesamt 1214 Blättern der Bibel verfügbar.
Natürlich immer noch auf einem zweigeteilten Bildschirm. Zu Beginn sind die beiden Bildschirmhälften zum einen mit dem Faksimile von Folio 1r und zum anderen mit dessen Transkription belegt. Daneben stehen noch eine Lesefassung und die (Beschreibung der) Illuminationen zur Auswahl. Beide Bildschirmhälften können frei belegt werden. Man kann also z.B. links weiterhin das "Faksimile" einer Buchseite betrachten und natürlich auch hineinzoomen und rechts daneben, zu "Illuminationen" wechseln und dort eine Gesamtbeschreibung dieser Seite, eine Beschreibung der einzelnen Miniaturen und eine Beschreibung der Marginalien dieser Seite erhalten. Natürlich kann man auch (z.B.) Transkription und Lesefassung nebeneinander stellen. Ganz entsprechen dem eigenen Rechercheziel.

 

Bild: Illuminationen aus einer Kopie der Wenzelsbiibel, Josef Hák via Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0 Deed


Weibsbilder … Frauen schreiben Geschichte - Besser machen dürfte schwer werden

Bärnau/Bayreuth, 1. Juni 2024

Die Überschrift verrät es: Die Veranstaltung die da am Pfingstwochenende im Geschichtspark Bärnau-Tachov stattfand, war eine Veranstaltung die ihresgleichen sucht. Auch wenn der Geschichtspark eigentlich nur den Rahmen bot. Organisatorin und Mastermind hinter den "Weibsbildern" ist/war Agnes Zankl. Im Hobby mit der IG 14tes Jahrhundert unterwegs. Insgesamt waren es quer durch die Geschichte und den Geschichtspark 19 Stationen durch fast genau 1700 Jahre Frauenpower. Los ging es um 200 nach Christus um dann um 1895 zu enden. Unsere Favoritin darunter: "Die Macht in der Verwandlung" Kosmetik und Haartracht der römischen Frau um 200 nach Christus. Unser Favorit außer Konkurrenz: "Von gouter Spise" Küche, Haushalt und Gastgewerbe um 1320, denn dort (bei De Timmermansche) hat einer von uns 1320ern mitgeholfen … natürlich auch beim Essen.

Wie schon eingangs erwähnt, war das, was Agnes da an Qualität, sowohl in der Darstellung als auch in der Didaktik, zusammengebracht hat, einfach großartig. So großartig, dass wir uns wünschen, dass dieses Konzept Schule macht ... und Mut. Vor allem in klassischen Museen. Mut zu einem weg von den blossen Vitrinen und Texttafeln, hin zu lebendigen Geschichtsvermittlung.

Das mit den vielen Bildern ersparen wir uns hier. Das Netz ist sowieso voll davon. Bis auf eines vielleicht. Die komplett eingerichtete Wirtsleutekammer in der Herberge*.

 

*Bettgestell, Betthimmel, Truhen, Kleiderstangen und Vogelkäfig, Inventar des Geschichtsparks.

Bettausstattung, Tisch, Bänke, Waschstand, Laterne, Wäsche, Handtücher und sonstige Deko, Eigentum von „De Timmermansche“ und "Bayreuth 1320".


Waldglas - Eine vergängliche Schönheit

Bayreuth, 12. Mai 2024

Wer hat sich nicht schon einmal gewundert, dass mittelalterliches Glas dass in den Vitrinen der Museen zu sehen bekommt, egal ob Scherben oder vollständige Stücke, bis auf wenige Ausnahmen mehr oder weniger angegammelt wirken. Manche scheinen wie aus Milchglas, oder wirken wie von tausend Rissen durchzogen. Andere sind dunkelbraun durchgefärbt und wie aus einem anderen Material scheinend. Dann wieder Stücke, scheinbar mit einem Schmutzfilm oder einer Kruste überzogen. Manchmal (siehe rechts im Bild) so stark, dass man gar nicht glauben mag, dass es sich hierbei um Glas handelt. Alles ganz normal. Denn Glas ist eben nicht der unverwüstliche Stoff, an den modernes Glas uns denken lässt. Im Gegenteil, Glas "gammelt" quasi, wie man früher über Autos sagte, sobald es das Werk verlässt. Oder wie es korrekt heißen muss: Es korrodiert.

Aber nicht nur Waldglas korrodiert. Auch antikes und nachmittelalterliches Glas korrodiert. Chemisch gesehen geschieht dies durch das Eindringen von Wasser ins Material. Dort löst das Wasser dann Alkalianteile aus dem Flussmittel und ersetzt diese durch Wasserstoffionen aus dem Wasser. Dadurch werden die Siliziumoxidbindungen aufgelöst. Das Glas korrodiert. Die dabei entstehende Lauge beschleunigt die Auflösung weiter. Waldglas ist durch die als Flussmittel zugesetzte Holzasche und das darin enthaltene Kaliumkarbonat besonders anfällig für diesen Prozess. Ein Prozess der durch das für die Glasherstellung notwendige Flussmittel quasi vorprogrammiert ist. Allerdings machten Flussmittel die Herstellung von Glas erst möglich, da reiner Quarz(-sand) erst bei ca. 1700 Grad schmilzt, eine Temperatur die mit antiker oder mittelalterlicher Technik nicht zu erreichen gewesen war. Erst durch die Zugabe von mineralischem Soda oder Sodaasche und ab der Karolingerzeit im nordeuropäischen Mittelalter dann ersatzweise Holzasche (= Holzasche-Glas = Waldglas) als Flussmittel, war es möglich die Schmelztemperatur auf ca. 1100 Grad zu senken. Diese Erkenntnis und die Technik Feuer mit über 1000 Grad zu betreiben, geht übrigens bis in die mittlere Bronzezeit zurück und hat ihren Ursprung wohl in Mesopotamien und Ägypten. Zu uns gelangte die Technologie der Glasherstellung dann mit der römischen Expansion über die Alpen in das Gebiet des heutigen Deutschland erst im 1. Jahrhundert (nach Christus).

Neugierig geworden? Kein Problem! Hier noch etwas Lesestoff zu Thema.
Zuerst, primär zu Glaskorrosion bei antiken Gläsern: Die Inaugural-Dissertation von Katrin Wittstadt: Tiefenrisskorrosion an historischen Gläsern - Grundlegende Untersuchungen zur Klärung von Schadensursachen und dem Einfluss von Umgebungsbedingungen, von 2017.

Dann noch zu Glaskorrosion an mittelalterlichen Waldglas: Abschlussbericht zum „Waldglasprojekt“ der Deutschen Bundesstiftung Umwelt - Die modellhafte Bergung, Konservierung und Restaurierung umweltgeschädigter archäologischer Funde am Beispiel mittelalterlicher Gläser aus dem Weserbergland, von 2018.

Und zuletzt zu Glaskorrosion an Glas ab dem 17. Jahrhundert: Ein Artikel aus der Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, Band 59. Andrea Schwarz: "Kranke" Gläser : Formaldehydemission und Glaskorrosion - Untersuchungen am Beispiel der Glassammlung des Schweizerischen Landesmuseum, von 2002.

 

Im Bild links: Scherbe eines Nuppenbechers "Schafhausener Typ". Mitte/Ende 14. Jahrhundert. Bayreuth, Grabung "Ehemalige Schmidgasse".
Im Bild rechts: Hals einer Flasche mit Stauchring (doppelkonische Flasche). Mitte/Ende 14. Jahrhundert. Bayreuth, Grabung "Ehemalige Schmidgasse".


Kleidungserwerb im Spätmittelalter - Der Mägde* neue Kleider

Bayreuth, 5. Mai 2024

Meist blickt der moderne Mensch von ziemlich weit oben herab, wenn er Magd und/oder Knecht hört. Am Hungertuch nagend, ohne Hab und Gut, rechtlos und ärmlich gekleidet. Soweit das Vorurteil zum Auftretten von Knechte und Mägde im Spätmittelalter und darüber hinaus. Doch so ganz stimmt das nicht, und vielleicht ist es an der Zeit, an diesem Vorurteil ein wenig zu rütteln … für dieses Mal, an der Sache mit der Kleidung.

Denn eigentlich waren Knechte und Mägde, wie man sie auch noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein kannte, nach heutigem Sprachgebrauch eher Angestellte. Dienstleister, fest angestellt in Haus, Hof, Handel oder Produktion. Und in jedem Fall und egal ob zum Beispiel Küchenmagd oder Fuhrknecht, gut ausgebildet und wissend was, wann und wo etwas zu tun ist, damit "der Laden" läuft, in dem sie angestellt sind. Und natürlich mit festem Einkommen. Gegebenenfalls sogar noch mit Kost und Logis im Haus des Arbeitgebers. Sie hatten also genug Geld um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Und natürlich auch für Kleidung.

Doch zurück zum Kleidungserwerb. Dieser erfolgte im Mittelalter auf vielerlei Arten. Die aus heutiger Sicht am naheliegendste, ist der Kauf (fertiger) Kleidung. Da es aber für die meisten Mägde und Knechte dann doch unerschwinglich war, Neuware bei Näherin oder Schneider zu kaufen, kaufte man eher secondhand. Im Altkleider- und Altschuhhandel. Der hatte im Mittelalter nämlich die Stellung, die heute der Konfektion zukommt (1). Man kaufte was passte und was man sich leisten konnte.

Und dass das was man dort an Kleidung kaufen konnte, durchaus auch seinen Wert und damit auch Qualität hatte zeigen indirekt die Lüneburger Testamente. Dort wird mehrfach der Verkauf von Hausrat UND Kleidung gewünscht, um das eigene Begräbnis zu bezahlen (2).

Aber zurück zum Thema! Es gab auch Fälle in denen man für den Erwerb seiner Kleidung selbst nur teilweise aufkommen musste. Da wären die Kleiderdeputate. Gezahlt als Teil des Lohns. Zum Beispiel an das Personal in wohlhabenden Adels- oder Bürgerhaushalten. Galt es hier doch in besonderem Maße, das Haus auch durch das Erscheinungsbild des Personals nach außen zu repräsentieren. (3). Auch farbenfroh und der Mode folgend, wie es sehr schön an dem Knecht, ganz links im unteren Bild zu sehen ist.

Gleiches findet man für das Personal das, wie man heute sagen würde, bei der Stadt angestellt war. Auch hier finden sich neben dem Lohn, Tuchgaben und/oder Geldzahlungen für Kleidung. Für Nürnberg als Beispiel, in den Verwaltungsämtern für den Gehilfen des Pfänders, neben dem Gehalt auch einen jährlichen Bekleidungszuschuß (4). Und unter den Ausgaben für die Ämter der Allgemeinen Verwaltung, den Posten "Die Bekleidung der Amtleute". Darunter, ausdrücklich für Bekleidungszwecke, mehrfach Tuch und einmal, eine Geldzahlung zur Anschaffung von Dienstkleidung. Dabei wurde das Tuch von der Stadt eingekauft und an Pfingsten an die Amtleute verteilt. Darunter auch Knechte (5). Auch hier ist anzunehmen, dass die Stadt auf diese Weise dafür sorgte, dass auch das Personal repräsentabel auftrat. Allerdings schweigt sich die Quelle darüber aus, wo das neue Kleidungsstück hergestellt wurde. Oder wohin man das Tuch brachte, um das benötigte Kleidungsstück anfertigen zu lassen. Näherin oder Schneider wären hier denkbar.

Neben der Zuwendung von Tuch oder Geld für Kleidung durch den Arbeitgeber, finden sich auch Zuwendungen in Form von Erbschaften. Neben Möbeln, Küchenutensilien oder Schmuck, gelangten auch Kleidungsstücke aus dem Nachlass der Herrschaft in den Besitz des Hauspersonals (6). Zwar war das den Lüneburger Testamenten folgend, eher selten der Fall, in erster Linie vererbte man an Angehörige, ist bei den Gaben an Hauspersonal auffällig, dass die vererbten Kleidungsstücke (ausdrücklich) von bester Qualität waren (7). Auch hier also, Knechte und Mägde die auf der Straße, nicht unbedingt als solche zu erkennen waren. Und dass das Hauspersonal auch mehr als das Nötigste besitzen konnte, zeigt das Testament einer 1443 verstorbenen Magd. Sie hinterließ neben ihren Möbeln auch Wertgegenstände, Barvermögen und Kleidung. Darunter auch Pelze. Ihre Begräbnisfeierlichkeit übrigens, kam denen wohlhabender Bürger nahe (8).

 

* und Knechte und Taglöhner und Gesellen und und und.

1+2) Mosler-Christoph 1998, S. 101

3) Rippmann 1995, S. 40

4) Sander 1902 S. 218

5) Ebd. S. 439f.

6) Mosler-Christoph 1998, S. 322 und 268

7) Ebd. S. 231

8) Rippmann 1995, S.16ff.

Bild - Altkleiderhändler: © Holger Heid

Bild - Die Geburt der Jungfrau Maria (Bildausschnitt), Oberrheinischer Meister um 1410. Strasbourg, Musée de l’Œuvre Notre-Dame via Wikimedia Commons. CC BY-SA 2.0 DEED. Stand 20. April 2024.


Wohnen zur Miete im Mittelalter

Mietwohnen im Mittelalter - Kurz und knapp

Bayreuth, 28. April 2024

Nicht schon wieder! Doch! Aber erklären können wir es uns auch nicht. Warum hält sich diese Mär so hartnäckig. Die Mär im Mittelalter hätte man entweder im eigenen Haus oder … ja wo eigentlich … gewohnt. Unter der Brücke? Gegen dieses Vorurteil haben auch unsere Blogbeiträge vom 18. März und dem 29. August 2023 wenig geholfen. Macht aber nix, wir können nachlegen … mit ein paar Zahlen (1):

In Rostock wohnten 1522 (zugegeben, nicht mehr Mittelalter) 57% aller Haushaltungen zur Miete.
In der Kölner Pfarrei St. Columba standen für 1487 161 vom Eigentümer bewohnten Häusern 661 vermietete Häuser gegenüber. In Dresden lebten 1440 und 1453 20 - 22% zur Miete. In Görlitz waren es 1427 in der Stadt 38,9% und in der Vorstadt 18,9% der steuerpflichtigen Mieter. 1472 waren es dann 47,4% in der Stadt und 15,8% in der Vorstadt.
Ach ja, in den nächsten Wochen gibt es, hier bei uns im Blog, noch mehr Nachschub zum Thema Mietwohnen. Dann frei nach dem Motto "Schöner wohnen im Spätmittelalter". Inklusive eines Wegweisers zu drei spätmittelalterlichen Mietwohnung "zum Anfassen".

 

1) Maschke, Erich: Städte und Menschen - Beiträge zur Geschichte der Stadt, der Wirtschaft und Gesellschaft 1959-1977. Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beiheft Nr. 68. Wiesbaden 1980. S. 326f.


Einbaumfähren - Ein Evergreen

Bayreuth, 21. April 2024

Vor ein paar Wochen waren wir mal wieder im Historischen Museum in Bamberg. Und schaut mal, was wir dort "gefunden" haben. Einbäume! Oder wie wir zu unserer Überraschung zu lesen mussten: Einbäume oder Schwimmkörper von Fähren. Datiert: Mittelalter bis Neuzeit.

Erstaunlich, Einbäume im Mittelalter und dann auch noch als Schwimmkörper für Fähren. Für uns waren Einbäume bisher eine Sache der Ur- und Frühgeschichte und Fähren, sehr flache und sehr breite Bote/Plankenschiffe mit niedrigen Seitenwänden. Prahm oder Nachen vielleicht. Aber nicht unbedingt, so wie es aussieht. Eine kurze Recherche hat uns da eines Besseren belehrt (1). Es gab eben auch solche, sogenannte Einbaumfähren. Bestehend aus zwei oder mehr Schwimmkörpern, die mittels Querhölzern zusammengesteckt und/oder mit Seilen vertäut waren. Obenauf, quer zu den Schwimmkörpern und mit diesen verzurrt, eine Lage, dicht an dicht liegender Holzplanken. Die Schwimmkörper haben meist einen rechteckigen, annähernd quadratischen Querschnitt und sind ebenso rechteckig ausgehauen. Es kommen auch schräg gestellte Seitenwände oder rund belassene Schwimmkörper vor. Bug und Heck behalten meist die Breite des Schwimmkörpers, wobei der Bug mehr oder weniger spitz abgeschrägt war. Das Heck hingegen wurde gerade abgeschnitten, abgerundet oder ähnlich dem Bug gestaltet.

Solche Einbäume wurden übrigens in ganz Mitteleuropa gefunden. Besonders konzentriert dabei am Main.
Hier liegen 114 Funde vor (Stand 2022). Davon sind 60 Exemplare dendrochronologisch datiert worden. Das Zeitfenster reicht dabei von 260 v. Chr. bis 1633, mit einem Schwerpunkt im 14. Jahrhundert. Dazu konnten im schiffbaren Bereich des Mains und für die Zeit vor 1300 auch 13 Fährnennungen dokumentiert werden (2). Bis 1500 waren es bereits 53, um 1700 über 80 und um 1900 etwa 130. Allerdings wird in den Dokumenten der Fährtyp nicht angegeben, so dass der Anteil solcher Einbaumfähren am Fährbetrieb ungeklärt bleiben muss.

Bemerkenswert ist, dass diesen Fährstellen im Mittelalter nur 9 Brücken gegenüberstanden. Eine Zahl, die sich bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts nur geringfügig erhöht. Erst danach nahm der Brückenbau Fahrt auf. Vor allem gegen Ende des Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Eine Entwicklung die fast das Ende der Fähren besiegelte.

Dass es sich bei derartigen Einbäumen um die Schwimmkörper von Fähren handeln könnte, wurde bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts vermutet. Die vorgefundenen Bohrungen und Laschen in den Außenwänden (mittleres Bild), durch welche man mehrere Schwimmkörper mit Weidenruten und Knüppeln miteinander verbunden und vertäuen werden könnte, legen diese Vermutung nahe. Ebenso die Nuten und Bohrungen an Bug und Heck anderer (in Bamberg nicht gezeigter) Fundtypen.

Ethnologische Beobachtungen bestätigen dies an Beispielen derartiger Wasserfahrzeuge aus mehreren zusammengesetzten Einbäumen, die noch im 19. und 20. Jahrhundert in Polen in Gebrauch waren, auch wenn sie sich im Detail zum Teil deutlich vom archäologischen Fundmaterial unterscheiden und offenbar aber nicht mit einem Plankenbelag überdeckt waren. Ebenso in Italien, Portugal und auf dem Balkan des 20. Jahrhunderts. Gekoppelte Einbäume die als Fähren genutzt wurden.

Ach ja, die Sonderausstellung "Im Fluss der Geschichte. Bambergs Lebensader Regnitz" in der die Einbäume zu sehen waren, endete am 7. April 2024. Sie musste der nächsten Sonderausstellung des Historischen Museums Bamberg weichen. "Vor 1.000 Jahren: Menschen(leben) am Hof von Kunigunde und Heinrich II." anlässlich des 1000. Todestages von Kaiser Heinrich II beginnt am 25. Oktober 2024.

Zum Schluss noch ein Lesetipp für alle die jetzt neugierig geworden sind und noch mehr über Einbaumfähren wissen wollen. Werft einen Blick in die Fußnote. Der Titel dürfte derzeit (und bis auf weiteres) das Standardwerk zum Thema sein.

 

1) Kröger, Lars: Fähren an Main und Neckar - Eine archäologische und historisch-geographische Entwicklungsanalyse mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Verkehrsinfrastruktur. Monographien des Römisch-Germanischen Zentralmuseums, Band 160. Mainz 2022. URL: https://books.ub.uni-heidelberg.de/index.php/propylaeum/catalog/book/1077. Stand 15. April 2024.

2) Eine Zahl, die nicht vollständig sein dürfte, muss man doch davon auszugehen, das ein erheblicher Teil der Akten die Zeit nicht überdauert hat.

Bilder: Einbäume oder Schwimmkörper von Fähren im Historischen Museum Bamberg. Veröffentlichung auf bayreuth1320.de mit freundlicher Genehmigung des Historischen Museum Bamberg.

3D-Rekonstruktionen: JBWst für www.bayreuth1320.de


Pilgerzeichen - Wohin mit dem Kram?

Bayreuth, 14. April 2024

Tatsächlich eine gute Frage. Was geschah mit den Abertausend von Pilgerzeichen, nachdem die Pilger wieder zu Hause waren? Was geschah mit den Zeichen, wenn sie nicht an Hut, Tasche oder Kleidung verblieben? Weiter getragen als äußeres Zeichen der eigenen Frömmigkeit, als Souvenir zur Erinnerung oder als Schutz vor den Unbilden des Lebens. Und wie jede gute Frage verdient auch diese eine Antwort. Und damit die einigermaßen fundiert ausfallen kann, haben wir noch einmal nachgelesen. Und gefunden haben wir:

Pilgerzeichen in Gräbern. Sie liegen dort häufig im Brust- und Hüftbereich des Verstorbenen (1). Wobei hier nicht immer zu klären ist, ob der Verstorbene auf seiner Heimreise oder später in der Heimat verschieden ist. In letzteren Fall, hätte er sein Pilgerzeichen bis zu seinem Tod getragen oder aufbewahrt.

Pilgerzeichen in Kirchen abgelegt. Tatsächlich schien es häufige Praxis gewesen zu sein Pilgerzeichen im oder am Altar zu deponieren. Ebenso im Chorraum. Galt doch der Chorraum als sakrosankt (unantastbar/unverletzlich) und somit geeignet um dort nicht benötigte religiöse Gegenstände zu verwahren. Darunter eben auch Pilgerzeichen (2).

Pilgerzeichen in Stunden- oder Gebetbüchern. Tatsächlich findet man in solchen Büchern Pilgerzeichen oder Brakteaten (Pilgermedaillen) eingenäht, die ursprünglich nicht zum Buch gehörten. Sie funktionieren dort dann gewissermaßen als Andachtsbild. Eine Praxis die seit der Mitte des 15. Jahrhundert zu beobachten ist (3).

Pilgerzeichen als Devotionalien in Haus und Hof. Hierfür sprechen gelegentlich gefundene Pilgerzeichen die auf kleinen, einem Bildstock ähnlichen und oben durchlochten Brettchen angebracht waren, welche man wohl in Haus oder Stall aufhängte. Ebenso auch Pilgerzeichen und Pilgerampullen, welche anscheinend von Nägeln durchbohrt waren und so, wohl direkt an entsprechender Stelle, in Haus oder Stall festgenagelt waren (4).

Pilgerzeichen(abgüsse) auf Kirchenglocken. Das Pilgerzeichen diente dabei gewissermaßen als Model für seinen eigenen Abguss und erweiterte so die eigentliche Verzierung der Glocke.

Ob die Pilgerzeichen dafür vom Glockengiesser oder der Gemeinde angeschafft, oder von einem Gemeindemitglied gestiftet wurden, ist unklar. Ebenso, inwieweit das abgegossene Pilgerzeichen blosses Zierrat war oder evtl. die apotropäische (Unheil abwendende) Wirkung der läutenden Glocke verstärken sollte (5).

Pilgerzeichen als Altmetall. Recycling ist keine Erfindung unsere Zeit. Nein, auch das Mittelalter kannte diese Art der Rohstoffgewinnung. Und nicht nur für Metall bzw. Zinn. Dass dabei auch Pilgerzeichen recycelt wurden zeigt eine Textquelle von 1474 und Pilgerzeichen im archäologischen Befund von metallverarbeitenden Werkstätten (6).

Pilgerzeichen in Flüssen und Hafenbecken. Hier kämen in Frage, dass sie einfach nur verloren gingen oder aber, ins Wasser entsorgt wurden. Möglich auch, dass sie bei einem apotropäischen Akt ins Wasser gelangt sind (7). Denkbar wäre ebenso, dass sie beim Verladen von Altmetall auf ein Schiff über Bord gegangen sind (8).

Pilgerzeichen zu Geld gemacht. Das lässt sich 1396 für Wilsnack-Pilger belegen. Sie hatten ihre Pilgerzeichen weiterverkauft (9). Eine Praxis die vielleicht auch in die nächsten beiden Punkte hineinspielen dürfte. Ebenso in den oben bereits erwähnten Altmetallhandel.

Pilgerzeichen als Sammelobjekt. Belege dafür finden sich in diversen erhaltenen Rechnungsbüchern. Selbst Herzöge und Könige sind dort unter den Käufern/Sammlern aufgelistet. Eine Passion der tatsächlich auch noch nach dem Thesenanschlag Luthers nachgegangen wurde (10).

Pilgerzeichen und ihr krimineller Missbrauch. Diesen zeigen Altarbilder des 15. und 16. Jahrhunderts mittels Bettlern die ein Pilgerzeichen tragen. Eine wohl tatsächliche Praxis, mir der sich die Bettler als besonders gläubig darstellen wollten. Und eine Praxis die zu einem erhöhten Misstrauen unter der Bevölkerung gegenüber Personen mit Pilgerzeichen führte. War es doch damit schwierig, den professionellen Bettler von einem wirklich bedürftigen Pilger zu unterscheiden.

Überliefert sind auch Fälle, in denen sich Kriminelle als Pilger (samt Pilgerzeichen) verkleideten, um tatsächliche Pilger zu überfallen und auszurauben (11).

 

1) Haasis-Berner 1999, S. 274

2+3) Haasis-Berner 2002, S.69

4) Blick 2019, S. 174

5) Haasis-Berner 2002, S.69

6) Carina Brumme 2008, S. 133

7) Döring 2012, S.28

8) Brumme 2008, S. 132

9) Haasis-Berner 2002, S. 70

10) Herbers/Kühne 2013, S. 8f

11) Haasis-Berner 2002, S. 69f

 

Bild oben: Große Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse), Folio 371r (Bildausschnitt). Meister Johannes Hadlaub als Pilger verkleidet, um die Gelegenheit zu bekommen, seiner Dame einen Brief an den Mantel zu heften. CC-BY-SA 4.0 DEED

Bild unten: Holztäfelchen mit zwei Pilgerzeichen. Frei nach einem Original aus Amsterdam.


Die Sache mit den Tatinger Kannen - YouTube-Recherche im Selbstversuch

Bayreuth, 7.April 2024

Ganz ehrlich, wenn es einen Grund gäbe eine Zweitdarstellung zu beginnen, dann wäre es für den Autor dieser Zeilen, die Tatinger Ware. Allein schon, weil man sich dann so einen dermassen geilen Scheiß auf den eigenen Tisch stellen könnte. Hochglanzpoliert und am besten mit Zinnfolienverzierung (siehe Bild). Mindestens aber mit Ritzdekor (siehe Link).

Wie wir darauf gekommen sind? Wir sind über zweimal zwei Youtube-Videos gestolpert. Zuerst, Essen im Mittelalter, auf dem Kanal der OTH Amberg-Weiden, weil es gerade in aller Munde ist. Und dann noch per Zufall, Schulfilm: Mittelalter - Wohnen und Essen unter einem Dach, auf dem Kanal von dokumetARfilm - Schulfilme - Lehrfilme. Beide vielleicht als Dokumentation oder Lehrfilm zu betrachten. In jedem Fall, in beiden Filmen Tatinger Kannen als Schankgeschirr am Tisch scheinbar einfacher (vielleicht auch etwas besser gestellter) Haushalte.

Wunderbar sagt da der Tatinger-Liebhaber. Her mit so einer Kanne. Vielleicht ja doch ohne Zinnfolienverzierung und nicht ganz so hochglanzpoliert, schliesslich sind wir ja einfache Leute.

Eher nicht, wie es aussieht. Dabei ist es auch egal, ob mit oder ohne Zinnfolienverzierung. Denn zwei weitere Youtube-Videos belehren uns diesbezüglich eines Besseren. Zuerst, Geheimnisse der besten Keramik des Mittelalters, auf dem Kanal von Archäologie kurz erklärt (wir sind Fan), der Firma IN TERRA VERITAS und dem dort verlinkten Beitrag von Dr. Bernd Thier Der Scherben und die Magie eines Universums voller Fragen, oder: Warum Archäologen scheinbar zaubern können! auf dem Kanal der Altertumskommission für Westfalen.
In beiden Beiträgen wird deutlich unter wessen Dach solch hochwertige Stücke zu finden waren. Allerdings nicht, wofür sie Verwendung fanden. Das liegt tatsächlich bis heute völlig im Dunkel der Geschichte. Denkbar wäre es gleichermassen, das es sich um Schankgeschirr oder liturgisches Gerät handelte.

Ebenso äußert sich, um ein drittes Beispiel zu nennen, Peter Ettel (1). Auch er ordnet die in einem Grubenhaus in Karlburg am Main gefundenen Fragmente der Tatinger Ware, einer lokalen, möglicherweise kirchlichen Oberschicht zu und vermutet ebenfalls die Verwendung als Tafelgeschirr oder liturgisches Gerät.
Und die Moral von der Geschicht: YouTube kann tatsächlich eine hervorragende Quelle sein … wenn man kritisch bleibt und auf jeden Fall noch einmal selbst recherchiert!

Was in diesem konkreten Fall für den Autor dieser Zeilen heißt: Nix da Tatinger Ware und damit, nix da Zweitdarstellung. Tatinger Ware ist nun mal, so wie es aussieht, zwar geiler Scheiß, aber leider aus dem Umfeld einer kirchlichen und/oder weltlichen Elite und das wiederum kollidiert mit der Leidenschaft von uns Bayreuth 1320ern für die Darstellung der "unteren Zehntausend" der mittelalterlichen Gesellschaft.

 

1) Ettel, Peter: Der früh- und hochmittelalaterliche Zentralort Karlburg am Main. In: Gross, Uwe; Kottmann, Aline; Scheschkewitz, Jonathan (Hrsg): Frühe Pfalzen - Frühe Städte. Neue Forschung zu zentralen Orten des Früh- und Hochmittelalaters in Süddeutschland und der Nordschweiz. 2009. S. 147-174.

Bild: © Anna Axtmann - Die Hafnerin


Stadtführung in Nürnberg - Ab ins Mittelalter … mit De Timmermansche

Bayreuth/Nürnberg, 31. März 2024

Keine Stadt mit entsprechender Vita, ohne historische Stadtführung. Auch Nürnberg nicht. Viel Geschichte und dementsprechend viele historische Stadtführungen. Und zu einer waren wir vor ein paar Tagen eingeladen. Aber nicht zu irgendeiner, sondern zu einer ganz besonderen. "De Timmermansche vor Ort - unterwegs".

Was daran so besonders ist, lässt sich am besten mit einem Zitat von ihr beschreiben: « (…) wie ein Museum und ein Stadtrundgang in einem und irgendwas dazwischen ». Und genau das ist es. Ein Spaziergang durch die "Sebalder Altstadt". Zwischen Tiergärtnertor und den Fleischbänken. An den Stationen wie zum Beispiel dem Dürerhaus, dem (ehemaligen) Badehaus am Weinmarkt oder der Sebalduskiche, zack, wird der Spaziergang zum Museum. Repliken spätmittelalterlichen Hausrats. Nürnberger Vierpässe, ein Aquamanile, eine Laterne und und und. Nicht nur zum Anschauen, sondern auch zum Anfassen. Dazu eine geballte Ladung Wissenswertes. Was kostete eigentlich so ein Stadthaus, wie es hier entlang der Gassen steht, was verdiente ein Handwerker, oder was gab man fürs Essen aus. Wie war das mit den Badehäusern, den Gasthäusern oder dem Einkauf auf dem Markt? Also Dinge und Fakten des Alltäglichen, die wir so noch bei keiner Stadtführung gesehen oder gehört haben. Und das ist es, was diese Stadtführungen so besonders macht. Sie entführt einen nicht (schon wieder) in das so oft gehörte 3K-Mittelalter (Krone-Kirche-Krieg) voller Zahlen und Namen, sondern vielmehr in das Mittelalter der Menschen wie du und ich. Kaufleute, Krämer, Handwerker, Mägde, Knechte oder Taglöhner. Und wie so eine "normale" Nürnbergerin damals ausgesehen haben könnte, führte De Timmermansche gleich noch selbst vor. Vom Kopftuch bis zum Wendeschuh, in historisch korrekt, rekonstruierter, Kleidung des späten 14. Jahrhunderts. Meist in der Darstellung einer Köchin, wie sie vielleicht in einem der Wirtshäuser am Weinmarkt gearbeitet haben könnte. Manchmal aber auch als Jakobspilgerin, haben wir uns sagen lassen.

Lust bekommen? Auf Museum zu Fuß, von und mit De Timmermansche vor Ort - unterwegs? Dann schaut mal HIER nach ihren Terminen. Oder HIER zu den Terminen ihrer Zeitreise-Kirchenführung in der Sebalduskirche.


Es wurde auf dem Boden geschlafen - Auf der Suche nach der Quelle … Tipp bekommen

Bayreuth, 24. März 2024

Na also, geht doch! Vor ein paar Wochen (siehe 25. Februar 2024) haben wir hier im Blog, in die Runde gefragt, ob jemand von Euch weiß, woher die immer wiederkehrende Behauptung ursprünglich stammt, im Mittelalter hätten die Menschen auf dem Boden im Stroh geschlafen. Allenfalls zugedeckt mit dem eigenen Mantel. Wer hat das (vermutlich) als erster geschrieben, bzw. wer wird da immer wieder zitiert, haben wir gefragt.

Inzwischen haben wir einen Tipp bekommen. Und der lautet: Schaut doch mal in die "Fünf Bücher Deutscher Hausaltertümer - von den ältesten geschichtlichen Zeiten bis zum 16. Jahrhundert" von Moriz Heyne. Band 3, Körperpflege und Kleidung, von 1903. Gesagt getan! Und tatsächlich, es steht wörtlich so drin.

Merkwürdig nur, dass die Beschreibung der Schlafstätten mit einem Gestell beginnt. Einem Gestell auf dem es « (…) schon in Urgermanien Brauch gewesen (…) » sein muss, die Schlafunterlage auszubreiten/aufzuschichten.
Nichtsdestotrotz (was für ein schönes Wort) geht es ein paar Zeilen weiter zum Schlafen auf den Boden. So wörtlich: « In Bauernkreisen ist auch das Nachtlager in Heu- und Strohhaufen natürlich altbezeugt (…) » Das ist es ,was wir gesucht haben. Schlafen im Stroh auf dem Boden.

Weiter geht es dann allerdings schon komfortabler, mit dem Strohsack als alternative zum losen Stroh. Manchmal auch mit Laub oder Spreu gefüllt.

Auch angesprochen, das Bettzeug. Beginnend mit dem Betttuch oder -laken als notwendigstes Stück über dem losen Stroh, den Leilachen/Leinentuch, dem Federbett, Polster, Kissen in verschiedenen Größen und deren Bezügen. Schließlich die Decke. Und hier finden wir den Satz: « Als Zudecke des Schlafenden auf solchem Lager dienen, in alter Zeit wohl ausschliesslich, und in späterer vielfach, nicht Bettstücke, sondern Teile des Gewandes, besonders Oberkleid und Mantel, ferner eigene grosse Decken ». Ebenfalls genau das was wir gesucht haben. Zudecken mit dem eigenen Mantel!

Allerdings finden sich im selben Text auch Bettdecken beschrieben. Die, so heißt es, in "späterer Zeit" (Spätmittelalter?) « (…) wie die Kissen (…) » einen Überzug trugen.

Anzumerken wäre vielleicht noch, dass in den Hausaltetümern für folgende Sätze die Einordnung fehlt « In Bauernkreisen ist auch das Nachtlager in Heu- und Strohhaufen natürlich altbezeugt » und « Als Zudecke des Schlafenden auf solchem Lager dienen, in alter Zeit wohl ausschliesslich, und in späterer vielfach, nicht Bettstücke, sondern Teile des Gewandes, besonders Oberkleid und Mantel, ferner eigene grosse Decken ». Die Einordnung in Richtung Not- oder Gästebett oder vielleicht doch in Richtung Regelfall.

Aber macht euch selbst ein Bild von dem was Moriz Heyne vor über 120 Jahren geschrieben hat. Wir haben die dafür notwendigen drei der fünf Bände der "Hausaltertümer" HIER unten verlinkt. Am besten beginnt man, wenn’s ums Bett gehen soll, auf Seite 97 in Band 3 und folgt dann den Hinweisen zu Band 1 und 2 im Text.

Und zum Schluß noch eine Bitte. Wenn jemand von euch noch ältere Literatur kennt, in der es um das Schlafen auf losem Stroh gebettet und nur mit dem Mantel zugedeckt, geht, dann sagt es uns. Und wir sagen es garantiert weiter.


Fünf Bücher deutscher Hausaltertümer von den ältesten geschichtlichen Zeiten bis zum 16. Jahrhundert. Von Heyne, Moriz. Leibzig 1899-1903.
Band 1, Das deutsche Wohnungswesen.
Band 2, Das deutsche Nahrungswesen.
Band 3, Körperpflege und Kleidung bei den Deutschen.


Nürnberger Kleiderordnung - Nicht wirklich … oder

Bayreuth, 17. März 2024

Schaut mal was uns in die Hände gefallen ist. "Die Mode im alten Nürnberg", von Julia Lehner.
Da haben wir natürlich sofort reingeschaut. Das meiste davon war uns natürlich und ist sicher auch euch, längst bekannt. Einschränkungen von Weite oder Länge von Kleidungsstücken, zu verwendende oder untersagte Materialien. Maximale Kosten für ein Kleidungsstück oder einen Gürtel, unerlaubtes Zierrat und und und. Ihr wisst was wir meinen. Aber das eine oder andere, hatten wir so aber nicht auf dem Schirm. Manches davon ziemlich kurios. Und manchmal auch zum schmunzeln. Hier unsere Top "Nicht wirklich … oder" der Herrenmode des 14. und 15. Jahrhunderts:

Platz 5: Anfang des 14. Jahrhunderts war es Mode, das Oberleder der Schuhe (dekorativ) durchbrochen zu tragen. Teilweise wohl auch so sehr stark, dass kaum noch Oberleder übrig blieb. Die Kleiderordnung von 1315/30-60 verbot jedenfalls, derart « zerhauene oder zerschnittene Schuhe » zu tragen.

Platz 4: Männer trugen wohl auch mehrere Gürtel gleichzeitig. Die Kleiderordnung von 1382-15. Jh. schreibt jedenfalls vor, dass sich der Mann mit nur einem Gürtel begnügen sollte.

Platz 3: Bei Männern scheint es üblich gewesen zu sein, den Paternoster (Gebetsschnur) hinten im Gürtel (über das Hinterteil hängend) zu tragen. Mit der Kleiderordnung von 1315/30-60 ist dies zu unterlassen. Stattdessen soll der Paternoster seitlich vorne getragen werden.

Platz 2: Noch zu Beginn des 14. Jahrhunderts, trug der Herr seine Haare, heute würde man sagen, Fokuhila. Mit der Zeit wurden sie aber immer kürzer geschnitten und der Scheitel kam in Mode. Und genau dieser Scheitel wurde in der Kleiderordnung von 1315/30-1360 verboten. Man(n) sollte seine Haare vielmehr wie“ « von alters her » tragen.

Platz 1: Offenbar wurden Paternoster von Männern auch um den Hals oder auf den Kopf getragen. Jedenfalls verbietet die Kleiderordnung von 1382-15. Jahrhundert das Tragen der Paternoster um den Hals oder auf dem Kopf.
Ach ja: Falls wir euch jetzt auf eine Idee gebracht haben, vergesst es. Ihr (egal ob Familie oder im Haus lebendes Personal) müsst nämlich zuallererst an eurem Familienvorstand vorbei. Der ist nämlich der Erste der für die Einhaltung der Regeln … auch Kleiderordnungen verantwortlich und auch dafür haftbar ist, sollte jemand aus seinem Haus dagegen verstoßen.
Und falls ihr es doch irgendwie schafft, an ihm vorbeizukommen oder ihr euer eigener Herr sein solltet, lasst euch nicht vom Pfänder erwischen. Das würde euch teuer zu stehen kommen, und das gute Stück wärt ihr auch los.

 

Alle Angaben aus: Lehner, Julia: Die Mode im alten Nürnberg - Modische Entwicklung und sozialer Wandel in Nürnberg, aufgezeigt an den Nürnberger Kleiderordnungen. Schriftreihe des Stadtarchivs Nürnberg, Band 13. Nürnberg 1984. Kapitel IV.2.1."Die modische Bekleidung des 14. und 15. Jahrhunderts - Männerkleidung"


Analoge Recherche - Ab an die Uni

Bayreuth, 10. März 2024

Wie beginnt eure Recherche? Unsere beginnt meistens am Rechner! Feine Sache und meist kostenneutral. Aber was tun, wenn Google-Suche, Academia und Co einen im Stich lassen? Natürlich analog weiter recherchieren, ist doch klar. Denn leider gibt es vieles, zumindest im Moment noch, tatsächlich nur auf Papier. Digitalisierung hin oder her.

Besonders frustrierend ist das aber, wenn man feststellt, dass die vielversprechende Quelle im Literaturverzeichnis eines PDFs nur Print erhältlich ist. Lief doch bis jetzt so gut.

Aber da hilft es nichts, das Buch muss her. Und das macht die Recherche nicht nur noch zeitaufwändiger, sondern auch noch teuer. Es sei denn, man holt sich das Buch aus der nächstgelegenen Universitätsbibliothek. Entweder direkt aus deren Bestand und zur sofortigen Ausleihe, oder per Fernleihe.

Das geht tatsächlich auch als Otto Normalforscher. Besser gesagt, als Bibliotheksinteressierter.

Die Universitätsbibliothek bei uns in Bayreuth hilft solchen Bibliotheksinteressierten sogar beim Einstieg. Sie bietet jedes Semester mehrere Bibliothekseinführungen für Interessierte aus Stadt und Region an. Die letzte Einführung in diesem Semester findet am kommenden Donnerstag den 14.03.2024, um 17:00 Uhr statt.
Also schnell hin und sich ein Bibliothekskonto einrichten. Es lohnt und rechnet sich. Wir wissen wovon wir reden, denn auch wir bezogen und beziehen den allergrößten Teil dessen, von dem was ihr in unseren Quellenangaben oder in unserem Literaturverzeichnis findet, auf diesem Weg.

Andere Universitätsbibliotheken verfahren übrigens ähnlich. Klickt euch doch einfach mal durch deren Homepages. Oder noch besser: Geht einfach mal vorbei. An der Ausleihtheke (meist leicht zu finden) wird euch sicher geholfen. Am besten geht ihr aber in deren Zentralbibliothek. Die Teilbibliotheken oder Zweigstellen sind nämlich nicht immer dafür ausgestattet neue Bibliothekskonten einzurichten.

Ach ja: Unterschätzt nicht die Stadtbibliothek in euerer Region. Vor allem wenn es um Regional- oder Stadtgeschichte geht, oder um die Baudenkmäler bei euch vor Ort. Da sind sie fast schon unschlagbar. Manchmal sogar bei Thema Archäologie … für eure Region.


Aquamanile - Die Sache mit dem Igel

Bayreuth/Nürnberg, 3. März 2024

Schaut mal was uns kürzlich vor die Linse gelaufen ist. Ein Aquamanile in Igelform. Gesehen im Lager(raum) eines befreundeten Reenactors. Das Original bzw. das zugrundeliegende Fundstück dahinter stammt aus Wien. Genauer, aus der Latrine im sogenannten Augustinerturms.

Solche Aquamanilen, ob wie hier aus Keramik oder Metallguss (meist Bronze), dienten zusammen mit einem Auffangbecken, zum Händewaschen. Zum einen im liturgischen Brauch im Rahmen der Heiligen Messe, zum anderen, aus hygienischen Gründen, bei Tisch (1). Wie die Funde zeigen, gleichermaßen auf Burgen, Klöstern und Städten, seltener dagegen im ländlichen Siedlungen (2). Aus Keramik findet man sie bereits ab ca. 1200 und durchgängig bis ins 16. Jahrhundert (3). Es gibt sie in vielerlei Ausgestalltung. Als Tiere (meist Pferd oder Hund), als Fabelwesen, verziert mit Ritzdekor, Glasur oder Engobebemalung.

Gemacht wurde der diesem Replik zugrundeliegende Fund, 1999 bei baubegleitenden archäologischen Maßnahmen beim Neubau eines Studiengebäudes. Genauer gesagt, in der Latrine eines Turmes der ehemaligen mittelalterlichen Stadtbefestigung Wiens, die dabei entdeckt wurde. Erbaut wohl im Zuge der Stadterweiterung zwischen ca. 1200 und der Mitte des 13. Jahrhunderts.

Die Latrine selbst, wurde erst 1354 nachträglich in den Turm eingebaut, der sich da dann im Bereich des 1327 dort angesiedelten Augustinereremitenklosters befand. Wohl als Abort des Klosters. Sein Ende fand der Turm dann um 1600 im Zuge des Ausbaus der Wiener Stadtbefestigung nach der Belagerung durch die Türken (4).
Damit ergäbe sich für die Datierung des Aquamanile ein Zeitfenster zwischen der Mitte des 14. bis ins 16. Jahrhundert. Allerdings lässt sich dieses Zeitfenster anhand eines in Brno, in der Tschechischen Republik, gemachten Fund deutlich reduzieren. Dort fand sich ein in die zweite Hälfte des 14. bzw. den Anfang des 15. Jahrhunderts datiertes Vergleichsstück. Eine Datierung, die auch für das Wiener Stück angenommen wird (5).
Erstaunlich ist aber nicht der Fund eines Aquamaniels in der Latrine eines Klosters an sich. Es ist vielmehr die Symbolik dieses Aquamanils in Form eines Igels. Denn der Igel galt schon in der Antike als Schädling, der die Weinstöcke plündert, indem er den Stock erklettert, die Beeren herunterwirft, sich in ihnen wälzt und sich mit ihnen aus dem Staub macht. Im Mittelalter wurde dann dieses Bild des Igels mit Beeren auf dem stacheligen Rücken zum Symbol des Teufel der die Gläubigen verführt. Darüberhinaus und auch noch nach dem Mittelalter glaubte man, dass Igel Hühner töten und ebenso, die Milch aus den Eutern der Kühe saugen (6). Erstaunlich also, dass ein so negativ belegtes Tier in Form eines Aquamanile in einem Kloster in Gebrauch war. Möglicherweise sollte das das so gestalte „Böse“ die Ordensleute ermahnen, ein gottgefälliges Leben zu führen (7).

 

1) Mehler 2013, S. 21

2) Gross 1995, S, 138

3) Mehler 2013, S. 24

4) Scharrer-Liska 2005, S. 13f.

5) Ebd, S. 22

6) Scharrer 2002, S. 164f.

7) Ebd, S. 166f.


Im Mittelalter schlief man auf dem Boden - Auf der Suche nach der Quelle

Bayreuth, 25. Februar 2024

Was jetzt kommt, ist durchaus ernst gemeint! Nämlich die Frage: Woher kommt es, dass man immer wieder hört oder liest, dass die Menschen im Mittelalter, sofern sie nicht adelig oder reich waren, auf dem Boden geschlafen hätten? Im schlimmsten Fall nur auf aufgeschüttetem Stroh. Zugedeckt, wenn überhaupt, mit dem eigenen Mantel.

Weiß irgendjemand da draußen, auf wessen Aussage da immer wieder zurückgegriffen wird?
Unser Gedanke dazu: Wer auch immer das zuerst in den Raum gestellt hat, könnte es damit zu tun haben, dass das Wort "Matratze", laut DWDS - Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute, vom italienischen "materazzo" entlehnt ist, dem wiederum das lateinische "matarazum" vorangeht. Ebenso wäre laut DWDS möglich dass "Matratze" dem mittelhochdeutschen "materaʒ" entstammt, dem wiederum das altfranzösische "materas" vorangeht, welches sowohl "Teppich" als auch "langes Kissen" bedeutet. Beide Varianten gehen aber wohl auf das arabische "maṭraḥ" zurück gehen, was wiederum für "Teppich auf dem man schläft", steht. Womit die Matratze, zumindest entymologisch, tatsächlich auf dem Boden zu liegen kommt.

Was meint ihr? Kennt ihr des Rätsel Lösung? Schreibt es uns.


Straßen und Wegebau im mittelalterlichen Bayreuth - Über Stock und Stein II

Bayreuth, 18. Februar 2024

Eine Leserfrage nach unserm Beitrag "Straßen(auf)bau in der mittelalterlichen Stadt - Über Stock und Stein" vom 19. November 2023. Gibt’ es eigentlich auch was zum mittelalterlichen Straßenbau in Bayreuth? Klar doch! Zwar nicht als Monographie, aber dann doch in den Publikationen (und Artikeln des Nordbayrischen Kuriers) zu den vor Jahren hier in Bayreuth durchgeführten archäologischen Grabungen .

Und natürlich gibt's auch hier bei uns was zum Thema! Schaut mal unter STADTARCHÄOLOGIE. Im Kapitel BAYREUTH. Dort zugegebenermaßen nur kurz und knapp, als nur eines von vielen Themen.

Allerdings legt Eure Frage nahe, dass Interesse an mehr Informationen besteht. Um dem nachzukommen, haben wir unsere Nasen noch einmal in die Unterlagen gesteckt. Auch um uns mal selbst wieder auf den neuesten Stand zu bringen.
Und herausgelesen haben wir zum einen, einen Bohlenweg aus der Zeit um 1200, der bei der Ausgrabung "Alte Lateinschule" zu Tage getreten ist. Der Weg war etwa 60 cm breit und diente wohl der Erschließung des dort damals morastigen Geländes. Die Lauffläche bestand aus halbrunden Hölzern und viereckigen Bohlenstücken. Diese lagen auf Unterzügen aus Tannenholzstämmen, die in den anstehenden Boden eingetieft waren. Die ursprüngliche Länge des Weges ist nicht bekannt, da nur ein kleiner Abschnitt erfasst/ergraben werden konnte (1).

Unweit davon entfernt fanden sich in der Grabung "Ehemalige Schmiedgasse" ca. 1,5 m² einer (Hinter-)Hofpflasterung. Sie bestand aus größeren Sandsteinen die ohne Mörtel verlegt waren. Ein Teil des Pflasters lag bereits vor dem Stadtbrand von 1430. Kurz nach dem Brand wurde wohl, evtl. beim Wiederaufbau des Areals, die Pflasterung fortgesetzt oder nochmals erweitert (2).

Weiter geht es mit einer Pflasterung die bei der Marktplatzgrabung von 2009 gesichert werden konnte. Die Grabung übrigens, in etwa vor der heutigen Mohrenapotheke gelegen, bei welcher es gelang die beiden ersten Rathäuser Bayreuths im Boden nachzuweisen. Zum einen das 1430 im Hussitensturm niedergebrannte Rathaus und dessen Nachfolger, der beim Stadtbrand von 1621 ebenfalls ein raub der Flammen wurde.

Dabei fand sich in der sogenannten "Fläche 1" (Straßen-)Pflaster das hier in Bayreuth für das frühe 15. Jahrhundert typisch ist (3). Die Pflasterung besteht hier aus Kalksteinen in sehr unterschiedlicher Größe und ist in hellgelb-grauem Sand verlegt. Anzumerken wäre hier allerdings, dass für diese Art der Pflasterung eine Entsprechung in der Grabung "Sparkasse/Maxstraße 62" gefunden wurde, die dort abweichend ins 16. Jahrhundert datiert wird (4).

Zu guter letzt, bei einer Grabung "In der Nähe der Spitalkirche" (5). Dort fand sich bei einer Sondage, unter einer Schicht mit u.a. Keramik des 14. Jahrhunderts, ein deutlich abgefahrenes/abgelaufenes (Straßen-)Pflaster. Sicher datiert, vor 1430. Bei der weiterführenden Grabung kam dann erneut Straßenpflaster aus dieser Zeit zum Vorschein. Diesmal auf ganzer Grabungsfläche und sich wohl auch in alle Richtungen fortsetzend. Die Pflasterung zeigte auch hier zum Teil stark ausgefahrenen Fuhrrinnen, was auf einen stark frequentierten Platz, evtl. aber auch auf eine nicht überlieferte Torsituation an diese Stelle hinweist.

Unter diesem Pflaster (von vor 1430) verborgen, fand sich eine weitere Pflasterung. Diese stammt wohl aus dem 13. Jahrhundert. Für beide Pflasterungen fehlen (uns) die Angaben zu verwendetem Material oder Unterbau (6).

Damit hat es sich. Zumindest nach unseren Unterlagen. Aber auch das Wenige, das wir gefunden haben, zeigt deutlich, dass man sich (auch) in Bayreuth nicht hilflos dem Schmutz und Morast der Straßen ergeben hat. Seit der Zeit um 1200 herum nicht! Man hatte vielmehr aktiv versucht die Situation nachhaltig zu verbessern. Bohlenwege durch morastiges Gelände (sicher nicht nur einen), gepflasterte Hinterhöfe (sicher nicht nur einen) und gepflasterte Plätze, zumindest an stark frequentierten Orten und um das Rathaus.

Was im Umkehrschluss natürlich nicht heißt, dass jeder Flecken zwischen den Häusern und jede Gasse in der Stadt befestigt war und sich, bei entsprechendem Wetter, nicht doch in einen unpassierbaren Sumpf verwandelte.

 

Im Bild: Kalksteinpflaster aus dem 18. Jahrhundert, vor dem Neuen Schloss in Bayreuth. Die Pflasterung vor dem Schloß liegt weitestgehend in situ (am Ort seiner ehemaligen Nutzung). Das gleichartige Pflaster um die Stadtkirche und im Ehrenhof dürfte wohl ebenfalls so alt sein, wurde aber mehrfach, auch großflächig, für Bauarbeiten herausgenommen und wieder eingebaut (lt. Historischer Verein für Oberfranken e.V.).

1) Müller J. 1996 S. 17

2) Aas 2011 S.110f.

3) Ebd. S.234

4) Ebd. S. 215

5) Wichtig hierbei: Die hier als Ortsangabe dienende (heutige) Spitalkirche wurde, samt zugehörigen Spital; erst 1435 - 1443 errichtet. Von der vorhergehenden Bebauung ist unseres Wissens nach nichts bekannt.

6) Waha, 24. Juni 2010 S. 13


Pilgerzeichen - Massenhaft und weitgereist

Bayreuth, 10. Februar 2024

Noch sowas aus unserer Sammlung. Pilgerzeichen. Sie sind allerdings nur bedingt eine Erfindung des Mittelalters. Denn die Mitnahme von Pilgerandenken, sogenannten Eulogien lässt sich bis in die Antike zurückverfolgen (1). Genauer gesagt, bis ins 4. Jahrhundert. Solche Eulogien bestanden aus Staub, Öl oder Wasser, welche in den Pilgerzentren der heiligen Orte durch Kontakt mit Reliquien geheiligt wurden. Diese wurden dort eigens für die Pilger hergestellt und üblicherweise an diese verschenkt. In großen Pilgerzentren wurden neben den Eulogien selbst auch geeignete Behältnisse für deren Transport hergestellt, welche dann, im Gegensatz zur eigentlichen Eulogie, an die Pilger verkauft wurden. Für Flüssigkeiten waren dies Ampullen aus Bleiguss oder Keramik.

Staub(eulogien) wurden dazu mit Ton vermischt und zu Medaillons geformt. Beides wurde mit szenischen Darstellungen mit Bezug zum Verehrungsort verziert. Verwendung fanden Eulogien dann in der Heimat, bei der Behandlung von Krankheiten und/oder als Schutz vor den verschiedensten Übeln.

Diese Wirkung wurde dann im 5./6. Jahrhundert, mit der da aufkommenden Bilderverehrung auf Heiligenbilder übertragen. Unter den zahlreichen erhaltenen Objekten dieser Art, finden sich auch frühbyzantinische Medaillons mit Darstellungen die man auch von Eulogien(behältern) her kennt. Allerdings enthalten sie keine geheiligten Substanzen, wurden aber dennoch ebenfalls als Devotionalien oder Pilgerandenken betrachtet (2).

Doch zurück zu den mittelalterlichen Pilgerzeichen. Auch sie werden am Wallfahrtsort erworben. Allerdings haben sie, und das ist neu, neben ihrem religiösen Charakter, primär die Funktion ihren Träger, nach außen sichtbar, als (erfolgreichen) Pilger zu kennzeichnen. Quasi auszuweisen.

Beobachten lässt sich diese Art "Ausweis", in Form der Jakobsmuschel (oberes Bild) bereits seit dem ausgehenden 11. Jahrhundert. Die hier ebenfalls gezeigten Pilgerzeichen (unteres Bild) aus einer Blei-Zinn-Legierung, sie werden in steinernen Modeln gegossen, finden sich dann ab der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts. In Deutschland wohl erst mit Beginn des 13. Jahrhundert. Diese frühen Exemplare waren in Flachguss ausgeführt. Meist mit durchgehender Oberfläche, welche die Darstellung als erhabenes Relief trägt. Etwa ab der Mitte des 14. Jahrhunderts werden diese dann von Stücken in filigranem Gitterguss sukzessive abgelöst. Bei dieser Technik trägt und bildet das namensgebende Gitter die Darstellung. Ab dem Ende des 15. Jahrhunderts finden sich dann auch noch Pilgerzeichen aus einseitig geprägtem Blech. So genannte Brakteaten (3). Ab der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts finden sich dann auch Pilgerzeichen aus Edelmetall (Gold, Silber und vergoldetes Silber). Zuerst in Frankreich und den Niederlanden. Im übrigen Europa jedoch erst um ca. 1500. Gehäuft schlußendlich im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts (4).

In die Zeit des Übergangs vom Flach- zum Gitterguss fällt übrigens auch die Blütezeit der Pilgerzeichenproduktion. Man schätzt dass im mittelalterlichen Europa an mindestens 500 Kirchen Pilgerzeichen verkauft wurden. Spitzenreiter dürfte dabei Aachen gewesen sein. Auch wenn dazu keine Daten vorliegen. Für die Wallfahrt zur Schönen Maria von Regensburg jedenfalls, stehen für die Jahre 1519 bis 1523, zehn- bis zwanzigtausend verkaufter Pilgerzeichen jährlich. Um nur eine Zahl zu nennen. Insgesamt dürften zwischen dem Ende des 12. Jahrhundert und dem beginnenden 17. Jahrhunderts, als die Herstellung von Pilgerzeichen europaweit zum Erliegen kam, viele Millionen Pilgerzeichen hergestellt worden sein (5).

Neugierich geworden? Dann empfehlen wir Euch die Publikationen zur Ausstellung "Wallfahrt kennt keine Grenzen" im Bayerisches Nationalmuseum München 1984, das Buch "Pilgerzeichen - Pilgerstraßen" von Klaus Herbers und Hartmut Kühne und natürlich, hier im Netz, die Pilgerzeichendatenbank.

 

Im unteren Bild links: St. Ursula, Köln, 1325-1400.
Im unteren Bild rechts: Heiltumsweisung, Aachen. 2. Hälfte 14. Jahrhundert.
1) Herbers 2013, S. 9
2) Schäfer 2018, S. 327f.
3) Herbers 2013, S. 9ff.
4) Haasis-Berner 2002, S. 67.
5) Herbers 2013, S. 11ff.


Wenzelsbibel digital - kommet, sehet, staunet

Bayreuth, 3. Februar 2024

Wir haben da einen Tipp bekommen … zu einer der prachtvollsten Ecken des 14. Jahrhunderts. Danke dafür nach Nürnberg!

Die Wenzelsbibel (ca. 1390-1400) gibt's jetzt nämlich als digitale Edition der Österreichischen Nationalbibliothek. Das Ganze scheint ziemlich "druckfrisch" und noch im Wachsen zusein. Laut Homepage, Stand heute, in der Version 2.2.0 vom 25. Januar 2024. Aber das was man bis jetzt schon zu sehen bekommt, begeistert.

Am genialsten finden wir die Zweiteilung des Bildschirms. Zu Beginn sind die beiden Bildschirmhälften zum einen mit dem Faksimile von Folio 1r und zum anderen mit dessen Transkription belegt. Daneben stehen noch eine Lesefassung und die (Beschreibung der) Illuminationen zur Auswahl. Beide Bildschirmhälften sind jedoch frei belegbar. Man kann also z.B. links weiterhin unter "Faksimile" eine der Buchseite betrachten und natürlich auch hineinzoomen und rechts daneben, zu "Illuminationen" wechseln und dort eine Gesamtbeschreibung dieser Seite, eine Beschreibung der einzelnen Miniaturen und eine Beschreibung der Marginalien dieser Seite erhalten. Natürlich kann man auch (z.B.) Transkription und Lesefassung nebeneinander stellen. Ganz entsprechen dem eigenen Rechercheziel.

Aber macht euch doch selber ein Bild. Stand und Pferdefuß derzeit noch, bisher sind "nur" die Folios 1r bis 53r von den insgesamt 1214 Blättern der Bibel verfügbar. Macht aber nix, das Projekt ist ja noch jung und, wie schon gesagt, im Wachsen begriffen. Es wird also. Wir auf jeden Fall, freuen uns jetzt schon auf das nächste "Update" der Wenzelsbibel.

 

Bild: Illuminationen aus einer Kopie der Wenzelsbiibel, Josef Hák via Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0 Deed


Topf, Kessel, Grape - Who’s Who der Kochgefäße im 14. Jahrhundert

Bayreuth, 28. Januar 2024

Und was ist das denn für ein Topf? Eine Frage die immer wieder gestellt wird, sobald auf einer Veranstaltung ein Grape am Herdfeuer steht. Eine gute Frage und ein Grund für eine etwas ausführlichere Antwort. Oder besser … einen Überblick!

Töpfe (Bild 1 u. 2) dürften, gemessen an der Zahl der Funde, das wohl am häufigsten verwendete Kochgefäß gewesen sein. Sozusagen DAS Kochgefäß für jeden Tag und jeden Haushalt. Man findet sie überwiegend als Standboden-, weniger häufig als Kugeltöpfe. Wobei hier jeweils der Boden des Gefäßes namensgebend ist.

Standbodentöpfe haben dabei, ganz wie moderne Kochtöpfe, einen flachen, Standboden. Ihr Gefäßkörper ist meist gestreckt-bauchig, wobei die größte Weite oberhalb der Mitte liegt. Sie stehen auf dem Herd, den Quellen folgend, am aber nicht im Feuer (1).

Kugeltöpfe dagegen habe meist über einen fast halbkugelförmigen Gefäßboden und eine insgesamt kugelige bis birnenförmige Gefäßform. Wie sie ursprünglich erhitzt wurden ist schwer zu sagen. Zu lesen ist aber, dass sie direkt in die Flammen gestellt wurden (2). Leider fehlen uns dazu die Abbildungen um dies zu verifizieren. Im Versuch hat sich aber gezeigt, dass sie wie die Standbodentöpfe, dicht am Feuer oder auch am Rand der Glut am besten funktionieren.
Beide Topfarten bestehen ausnahmslos aus Keramik. Und beide Arten dienten nicht nur zum Kochen, sondern konnten auch als Vorratsbehälter Verwendung finden. Am Fund weisen dann eingebrannte Speisereste und/oder Rußspuren vom Herdfeuer bzw. deren Fehlen, auf den ehemaligen Verwendungszweck hin (3).

Ein Grapen (Bild 3), hier aus Bronzeguss, ist ein dem Kugeltopf ähnliches Kochgefäß auf drei angeformten Füßen. Diese heben den eigentlichen Gefäßboden jedoch nur knapp oder nur einige wenige Zentimeter über die Herdplatte. Während des Kochvorgangs steht der Grapen, den Bildquellen zufolge, an der Glut am Rand des Feuers (4). Grapen zeigt das Fundgut sowohl aus Keramik als auch in Metallguss. Bei Keramik meist nur als Wandungsscherbe, mit einem der für sie typischen Füßen. Metallenen Exemplaren dagegen begegnet man oft auch völlig unbeschädigt.

Kessel (Bild 4) wiederum bestehen aus Metallblech. Meist wohl aus Messing- oder Bronzeblech. Seltener auch, wie hier im Bild, aus Eisenblech. Meist sind sie größer als Töpfe und Grapen. In der Gefäßform eher zylindrisch mit einem mehr oder weniger gewölbtem Boden und ähnlich einem Eimer, mit Henkel zum Tragen und ggf. Aufhängen am Kesselhaken. Die Befeuerung erfolgt von unten. Auf einem Dreibein über dem Feuer stehend oder an einem Kesselhaken über den Flammen des Herdfeuers hängend (5).

Und wenn ihr jetzt wissen wollt, was man in den verschiedenen Kochgefäßen zaubern kann, oder wie man sie richtig benutzt, dann empfehlen wir euch die Homepage von De Timmermansche. Dort findet ihr dann neben jeder Menge Kochrezepte, noch mehr Wissenswertes über mittelalterliche Kochtöpfe, eine Anleitung zum Kochen in Keramik und den Beweis, dass Kugeltöpfe nicht umfallen.

 

1) Siehe: Mendelsche Zwölfbrüderhausstiftungen (Mendel I), Folio 95r

2) Gareiß-Castritius 1997, S. 21

3) A. Bischof 2010, S.50

4) Siehe: Mendelsche Zwölfbrüderhausstiftungen (Mendel I), Folio 142r

5) Siehe nochmals: Mendelsche Zwölfbrüderhausstiftungen (Mendel I), Folio 95r


Film Mittelalter

GESCHICHTEn // hiSTORY #4 - ... and the forgotten subtitles

Bayreuth, January 21, 2024

It's been a few years since "Heyden - bürger czu Nürenberch" (Heyden - Citizens of Nuremberg) and "Bayreuth 1320" created a small and fine collaborative project. The short film GESCHICHTEn // hiSTORY #4.

Until recently, the film was available on the YouTube channel of "Heyden - bürger czu Nürenberch" and of course HERE on our VIMEO channel.

Meanwhile, "Heyden" has unfortunately deleted his YouTube channel. So the film is now only available HERE on our very small Vimeo-channel. Unfortunately, we forgot to point out that the film has English subtitles. What we have added herewith.


Archäologischer Rundweg - Keine halben Sachen

Bayreuth, 14. Januar 2024

Erinnert ihr euch? Im Sommer 2023 sind wir in der Bayreuther Fußgängerzone eher zufällig über den Archäologischen Rundweg gestolpert. Nachzulesen hier im Blog am 8. Juli 2023. Oder besser gesagt über eine der Stelen, die in Wort und Bild zeigen was sich dort, wo sie stehen, an Spuren der Bayreuther Stadtgeschichte unter dem Straßenpflaster verbirgt.

Inzwischen, wohl seit Herbst, scheint der Weg fertiggestellt zu sein. Er trägt jetzt ganz offiziell den Namen "Archäologie Rundgang - Stadt Bayreuth". 12 Stationen laden seit dem zu einem Spaziergang durch die Stadtgeschichte ein. Ein Spaziergang den man unbedingt machen sollte. Einziger Kritikpunkt vor Ort, denn die Stelen selbst sind hervorragend gemacht, man wird nicht auf die anderen Stationen und damit auf den Rundweg als Ganzes hingewiesen.

Aber wozu gibt es denn das Internet! Wenn man denn vor Ort darauf kommt dort zu suchen. Den Rundgang gibts dort nämlich auch. Digital UND genial! Schaut mal HIER unter ARCHÄOLOGIE-RUNDGANG DER STADT BAYREUTH - Ein archäologischer Rundgang durch die Stadt "mit Hartmut Endres". Nicht nur, dass hier eine Karte den Rundgang als solchen zeigt, findet man dort auch jede Station in Wort, Bild und Kartenmaterial erläutert und erfährt, was dort, an Ort und Stelle, einmal gewesen ist. Teilweise ergänzt durch Auszüge aus Grabungsberichten und den Pressemitteilungen des "Nordbayerischen Kuriers". Besser geht's nicht, finden wir und nah dran an einer Publikation (die es leider nicht gibt und vermutlich auch nicht geben wird).

Was es aber bald geben wird (lt. Historischer Verein für Oberfranken e.V.), ist eine Broschüre.
Ansonsten bleibt nur der (dreifache) Zufall. 1. zufällig festzustellen, dass die graue Stele dort hinten eben nicht zum Fußgängerleitsystem gehört, sondern zum "Archäologie Rundgang - Stadt Bayreuth". 2. zufällig festzustellen dass es sich bei der eben gefundenen Stele um den Teil eines Rundgang handelt und nicht nur um ein einzelnes "Archäologisches Fenster". 3. zufällig festzustellen, dass es dazu eine wirklich geniale Internetpräsenz gibt.

Trotz alledem, hier von uns, an alle Beteiligten und Verantwortlichen, die den „Archäologie Rundgang - Stadt Bayreuth“ ermöglicht, gefördert und auf die Beine gestellt haben: Gute Arbeit. Man muss schon weit reisen, um das Thema Archäologie so gut auf die Straße gebracht zu finden. Da kann sich so manche andere "Welterbestadt" eine dicke Scheibe abschneiden. Danke dafür!

Ach ja, wer jetzt meint, er müsse nicht vor die Tür. Irrtum! Die Informationen auf den Stelen vor Ort sind dann doch etwas umfangreicher in Wort und Bild und damit noch spannender als im Internet vorgelegt.


Bayreuth 1320 ist keine Quelle

Bayreuth 1320 ist keine Quelle - Die Neujahrsabsprache

Bayreuth, 6. Januar 2024

Warum macht ihr das so? Woher habt ihr das denn? Wie seid ihr den darauf gekommen? Diese oder ähnliche Fragen werden uns immer wieder mal gestellt, oder man hört sie gelegentlich auf Veranstaltungen. Die Antwort lautet dann meist: "Aus der Publikation über Grabung A"; "Aus dem Hausbuch von B"; "Aus einer Dissertation über C". Oder oder oder. Ihr kennt das sicher. Das will man hören, das hilft einem weiter.

Aber manchmal (leider) hört man auch: "Bei der Gruppe X"; "Auf der Homepage von Y". Oder: "Bei Z, die haben das so gelöst". Und wenn dann "Bayreuth 1320" ins Spiel kommt, dann ehrt uns das und gleichzeitig läuft es uns eiskalt den Rücken runter. Denn, und das ist uns wichtig, WIR SIND KEINE QUELLE! Denn auch wir können Fehler machen. Egal wie akribisch wir recherchiert haben. Fehlinterpretationen, veraltete Literatur oder zu wenig Quellenkritik. Sucht euch was aus.

Besser, ihr knöpft euch nicht nur die (z.B.) Replik vor und kopiert sie stumpf, sondern ihr nehmt euch auch die dazugehörige Quelle vor. Prüft und hinterfragt sie kritisch. Recherchiert vielleicht noch einmal neu, oder in eine andere Richtung und kommt so zu eurem, ganz eigenen, Schluss. Und wenn ihr dabei zum selben Ergebnis kommt wie wir, super. Wenn nicht, sagt es weiter. Und vor allem, sagt es auch uns ... und wir sagen es weiter. Somit können nicht nur "Bayreuth 1320" (gegebenenfalls) nachbessern, sondern auch indirekt alle die hier bei uns vorbeischauen.

Denn nach unserem Verständnis bereichert genau dieser Austausch das Reenactment. Egal ob zu neu gewonnener Erkenntnisse, oder eben eventuelle entdeckten Irrtümern. Und im Idealfall, hilft das dann allen, gemachte Fehler nicht zu wiederholen … und ganz nebenbei auch noch Geld und Zeit zu sparen. In jeden Fall aber dabei, die eigene Darstellung zu verbessern.


Neujahr - Neues Jahr, neues Glück

Bayreuth, 1. Januar 2024

Wir von Bayreuth 1320 hoffen, Ihr seid gut rübergekommen … nach 2024 und wünschen Euch für das jetzt noch neue Jahr, viel Gesundheit, noch mehr Glück und noch viel mehr Erfolg bei allem was Ihr Euch so vorgenommen habt. Und vielleicht sieht man sich ja.