Kindersicherung nach Amman - Kleinigkeit am Rande

Bayreuth, 9. November 2025

Ursprünglich wollten wir zur Illustration unseres Artikels "Badehäuser, Tappert, Kottgass – Ein Stadtführungssplitter" erneut den „Bader“ aus Jost Ammans Ständebuch von 1568 verwenden, den wir bereits in unserem Artikel Badehäuser allerorten – Von wegen dreckiges Mittelalter IV verwurstet haben, haben uns dann aber doch, wie zu sehen ist, anders entschieden. Allerdings hat uns ein Detail in der Illustration dazu gebracht, sie doch noch einmal vorzustellen. Diesmal um ihrer selbst willen beziehungsweise wegen jenem kleinen Detail.

Keine Ahnung, warum uns das erst jetzt aufgefallen ist. Zumal uns das Ständebuch schon seit Jahren begleitet. Aber schaut doch mal selbst. Vorne rechts unten. Da sitzt ein kleiner Badegast, in seinem eigenen (Mini-)Zuber. Samt Spielzeug und, ihr seht richtig, Kindersicherung. Ganz simpel in Form eines unter den Armen durchgeführten und hinter der Handdaube verknoteten Tuchs. Großartig, solche Kleinigkeiten am Rande der eigentlichen Geschichte zu entdecken.

 

Bild und Bildausschnitt: Der Bader, Holzschnitt von Jost Amman, 1568. AndreasPraefcke via Wikimedia Commons. Gemeinfrei.


viabundus - Linktipp mit Routenplaner

Bayreuth, 2. November 2025

Habt ihr euch auch schon einmal die Frage gestellt, wie lange man im Mittelalter von euch zu Hause aus bis in die nächste größere Stadt gebraucht hätte? Zu Fuß oder mit dem Pferd? Die Antwort gibt es hier: viabundus - Online-Straßenkarten des spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Nordeuropas (1350-1650) von der Universität Göttingen. Dabei umfasst Nordeuropa im Moment "nur" für die heutigen Niederlande, Dänemark, Deutschland ab Nürnberg und Heidelberg nordwärts sowie Teile Polens. So der Stand heute, aber es wird fleißig weiter ausgebaut.

Was aber viabundus so besonders macht, ist die integrierte Routenplanung. Richtig gelesen! Routenplanung! Gebt einfach die gewünschte Reisezeit (Jahreszahl) und den Start- und Zielort ein, wählt noch aus, ob ihr die kürzeste oder schnellste Strecke nehmen wollt, klickt euch durch ein paar Optionen und schon wird eure Reise berechnet. Mit Routenansicht, Entfernung und Reisedauer.

Ein Beispiel gefällig? Der in einem der Hausbücher der Mendelschen Zwölfbrüderstiftung (Mendel I, Folio 27 verso) verewigte Fuhrmann (siehe Bild) hätte 1425 mit seinem Karren auf kürzester Strecke über Land von Nürnberg via Herrenhütte (heute ein Stadtteil von Nürnberg), Heroldsberg, Eschenau, Forth, Gräfenberg und Pottenstein bis nach Bayreuth eine Strecke von rund 75 Kilometern zurückgelegt und dazu etwas zweieinhalb Tage gebraucht.

Und bevor jetzt jemand fragt: Nein, wir werden das nicht im Experiment überprüfen. Wie vertrauen da voll und ganz auf viabundus. Deswegen findet man viabundus auch ab sofort HIER bei uns unter LINKS in der Rubrik RECHERCHE.

 

Bild) Hausbücher der Nürnberger Zwölfbrüderstiftungen. Mendel I, Folio 27 verso. Public Domain


Badehäuser, Tappert, Kottgass - Ein Stadtführungssplitter

Bayreuth, 26. Oktober 2025

Wir wiederholen hier mal eine Frage, die uns an unserer jährlichen Stadtführung gestellt wurde. Warum standen die zwei Bayreuther Badehäuser (1) da, wo sie standen? Zum einen die "Obere Badstube" am Platz des heutigen Hauses Kirchgasse 5 und zum anderen, nur einen Steinwurf weit entfernt, die "Untere Badstube" am Platz des heutigen Hauses Sophienstraße 18 (2). Und damit entlang des nachweislich als Abwasserkanal genutzten Seitenarms des Tappert (3). Eine berechtigte Frage. Zumal die damals schmale Gasse, durch die er floss, die heutige Kämmereigasse, 1539 nachweislich den scheinbar wenig schmeichelhaften Namen "Kottgass" trug. Keine Ahnung! Jedenfalls bei der Stadtführung nicht.

Allerdings sind wir da inzwischen einen Schritt weiter ... und schlauer. Denn inzwischen wissen wir: Viele mittelalterliche Badehäuser standen an natürlichen oder künstlich angelegten Fliessgewässern (4). Nicht nur in Bayreuth. Auch in Nürnberg zum Beispiel. Dort lagen 9 der 14 mittelalterlichen Badehäuser an einem Fliessgewässer. 5 davon an der Pegnitz, die heute noch von Osten nach Westen die Stadt quert. Die anderen 4, analog zu den Badhäusern in Bayreuth, an einem künstlich angelegten Bachlauf/Kanal, dem Fischbach, der von Süden kommend durch die Stadt geführt wurde. Nur durften die Badhäuser hier, anders als in Bayreuth, ihr Wasser nur entnehmen (5), nicht aber ihr Abwasser darin entsorgen (6). Wohin das dann geschah ist dabei aber leider nicht überliefert (7).

Auch wenn der letzte Satz das jetzt nicht vermuten lässt, Badhäuser bezogen ihr Wasser üblicherweise eben nicht aus den Gewässern an denen sie standen, waren diese doch meist, besonders ab dem Spätmittelalter, durch bereits zugeleitete Abwässer stark belastet (8). Vielmehr dienten diese dazu, die Abwässer, auch die der Badhäuser, aus der Stadt zu befördern (9).

Was für die Bayreuther Badehäuser heißt: Sie lagen geradezu ideal. Zumindest wenn es um ihre Abwässer geht. Denn was fällt in einem Badehaus mehr an als Abwässer? Egal ob Bade- oder Putzwasser. Und was liegt deshalb näher als der Bau an einem Fliessgewässer? Das hält die eigene "Abwasserzuständigkeit" und damit deren Kosten überschaubar.
Und mit dem Tappert ist der eigene Dreck dann auch schnell aus der Stadt. Ebenso wie die Abwässer der anderen Häuser entlang seines Seitenarms. Denn der Tappert und mit ihm natürlich sein Seitenarm durch die heutige Kämmereigasse, waren zwar ein künstlich angelegter Bach/Kanal, dabei aber ein zügig fließendes Gewässer und eben keine vor sich hinstinkende Rinne in der Gasse, wie es ihr mittelalterlicher Name aus heutiger Sicht vermuten lässt.

Das Frischwasser bezogen die Badhäuser, wahrscheinlich auch in Bayreuth, meist aus nahegelegenen, oder im Badhaus selbst angelegten, Grundwasserbrunnen. Und ab dem 14./15. Jahrhundert dann auch, ganz wie heute, aus dem kommunalen Wasserleitungsnetz, aus im Boden liegenden Rohrleitungen, die bis zu einem Becken des Bades selbst führen konnten (10).
Bliebe jetzt noch der Name "Kottgass" für die heutige Kämmereigasse. Woher dann der? Dem Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm gefolgt, von der Art/Qualität der Gebäude entlang der Gasse. Denn, "Kot" oder auch "Kote" in ihren verschiedenen Schreibweisen (auch mit "tt"), steht für zum Beispiel: Hütte, kleines schlechtes Haus oder Haus in geringem Sinne (11). Somit beschreibt also "Kottgass" eine Gasse, in der eher kleine, bescheidene Häuser stehen.

Außerdem kann man, zumindest für die Kreuzungsbereiche der Gasse annehmen, dass der Kanal dort großzügig (wenigstens) mit Bohlen abgedeckt war, um ihn barrierefrei queren zu können. Und an solchen Kreuzungen lagen die beiden Badehäuser. An/bei der "Oberen Badstube" ist für 1448 sogar die Erbauung eines Schwibbogens (12) und die Pflasterung der heutigen Kirchgasse vom « … kirchhof herfür biß an den schwiebogen bey der obern badstuben … » überliefert (13). Ebenso dass 1449 die heutige Kämmereigasse (unklar welcher Teilbereich) vom sog. Weißkrämer bis zu besagten Schwibbogen gepflastert wurde. Wobei "schwiebogen" oder "Schwibbogen" einen gemauerten Bogen, ein Gewölbe (auch von Säulen getragen), einen überwölbten Durchgang, einen Bogen in der Stadtmauer oder eben einen Bogen über ein Gewässer meinen kann (14).

Womit sich alles in allem für das Umfeld der Bayreuther Badhäuser ein ganz anderes Bild darstellt, als es der Namen "Kottgass" gepaart mit dem allgegenwärtigen Mittelalterbild vermuten lässt. Trotz der dort durchfließenden Abwässer.

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass scheinbar nicht das ganze Kanalnetz des Tappert so genutzt wurde. Eine Vielzahl von Urkunden mit Verordnungen, die das Entsorgen von Abfall und Abwasser in den Bach/Kanal ausdrücklich verbieten, lassen darauf schließen. Sollte er doch eigentlich der Versorgung mit Lösch-, Brau- und Trinkwasser dienen (15). Möglich, dass sich diese Verordnungen (nur) auf seinen, den Marktplatz entlangfließenden, Hauptarm bezogen. Stand doch dort auf dem Marktplatz nicht nur das Rathaus, sondern auch ein Brauhaus (16).

Ach ja! Falls ihr jetzt noch wissen wollt, wie man sich so ein Badehaus und den Besuch eines solchen vorstellen kann, empfehlen wir euch den Youtube-Kanals ARCHÄOLOGIE kurz erklärt der Firma IN TERRA VERITAS mit den Beiträgen Archäologie erklärt: 073 Private Badezimmer im Mittelalter? (die gab es nämlich auch) und Archäologie erklärt: 074 Öffentliche Badehäuser im Mittelalter. Und dass man sich damals auch abseits von Badstube oder Badhaus waschen konnte und gewaschen hat, beleuchten wir HIER bei uns unter WASSER IM HAUS im Kapitel HAUS + HOF.

 

Bild 1) Lage der Bayreuther Badhäuser am Tappert-Seitenarm. 1= Obere Badstube. 2 = Untere Badstube.

Bild 2) Platz "Obere Badstube" = heutige Kirchgasse 5.

Bild 3) Platz "Untere Badstube" = heutige Sophienstraße 18.

Bild 4) Kämmereigasse in Blickrichtung Kirchgasse.

1) Ersterwähnung der beiden Badhäuser: 1398.

2) Rossmeissl 2022. S.228.

3) Kohlheim 2006, S.60.

4) Tuchen 2001. S. 62.

5) Mulzer 2003. S. 58

6) Baader 1861. S. 276.

7) Mulzer 2003. S. 58

8) Tuchen 2001. S. 62.

9) Arnold 1996. S. 29

10) Tuchen 2001. 62.

11) Siehe: https://woerterbuchnetz.de/?sigle=DWB&lemid=K11608
12) Holle 1933. S. 65.

13) Trübsbach 1993. S. 35.

14) Siehe: https://woerterbuchnetz.de/?sigle=DWB&lemid=S22335

15) Aas 2011. S. 47.

16) Ebd. S. 217.


Sauberes Mittelalter - Doku einmal anders

Bayreuth, 19. Oktober 2025

Normalerweise liest man hier bei uns nichts über TV-Dokus zum Thema Mittelalter. Bis jetzt jedenfalls. Denn diese Doku ist wirklich anders. Was schon mit dem Titel beginnt. "War das Mittelalter schmutzig?" Zu finden in der ARTE-Mediathek, im Menü oben links, unter "Geschichte". Dort in der Rubrik "Geschichte nach Themen" und "Stimmt es dass …?". Nehmt euch die rund 22 Minuten Zeit, es lohnt sich. Denn im Vergleich zu dem, was man sonst so zum Thema Mittelalter und dessen hygienischen Zuständen per TV-Doku zu sehen bekommt, wird hier ziemlich gut abgeliefert … trotz des einen oder anderen Aussetzer beim Thema Notdurft.

Zum Beispiel, dass reiche Bürger sehr wohl einen Abort hatten, die Ärmsten der Armen dagegen zum Verrichten ihrer Notdurft nur der Gang auf die Toilette einer Taverne oder ein Nachttopf blieb. Dass die Verfügbarkeit/Nutzung einer Toilette also eine Frage des sozialen Status war. Dem möchten wir hier mit zwei Nürnberger Quellen in aller Deutlichkeit widersprechen. Allerdings nicht ohne vorab ins Gedächtnis zu rufen, dass Armut nicht gleich Obdachlosigkeit bedeuten muss. Damals wie heute nicht.

Zum einen wäre da also die "Nürnberger Polizeiordnung aus dem 13. bis 15. Jahrhundert" (1). In der findet sich unter „Bauverordnungen des 13. und 14. Jahrhunderts“ folgendes: « Wer hindersezen hat oder hausgenozen, der sol haben ze sinen hausgenozen und zü sinen hindersezen ain prifet ». Wer also Mieter hatte, sollte für diese auch Toiletten haben.
Und da diese Verordnung keine Bedingungen bezüglich des Mietobjekts stellt, dürfte das auch für eher bescheidene Unterkünfte gegolten haben.

Dann ist da noch das "Baumeisterbuch der Stadt Nürnberg (1464-1475)" von Endres Tucher (2). Darin wiederum liest man von sieben « … gemeinen heimlich gemach … » (= öffentliche Toiletten) für Mann und Frau, die von « … der stat nachtmeister … » (= den städtischen Abortreinigern) einmal jährlich geräumt und gereinigt werden mussten. Womit spätestens hier Toiletten nachgewiesen wären, die wirklich für jedermann zugänglich gewesen sein dürften. Auch für die angeführten Ärmsten der Armen. Zumindest in Nürnberg. Wobei wir annehmen, dass Nürnberg hierbei kein Alleinstellungsmerkmal hatte.

Und selbst dann wenn man doch nur einen Nachttopf hatte. Was spricht dagegen, diesen in einen der Bäche oder Abwasserrinnen der Stadt zu entleeren oder ihn auf den Misthaufen hinter dem Haus zu kippen?
Und ob man dann ab/nach dem 16. Jahrhundert bei der Körperpflege tatsächlich komplett auf Wasser verzichtet hat … wir haben da unsere Zweifel. Ist aber auch nicht unsere Zeit. 

 

1) Baader 1861. S. 289.

2) Weech 1862. S. 113. « … eines hinter dem Wildpat, eines pei dem Schießgraben, eines pei der Mang, eines pei der parfüsen Prücken, eines auf dem Schweinmarckt, eines pei der steinen prücken, eines bei dem Irhertürlein. »


Initiale in der Wenzelsbibel 1390-1400

Wenzelsbibel digital 7.0.0 - Ein Update

Bayreuth, 14. Oktober 2025

Es ist wieder einmal an der Zeit an die Digitaledition der Wenzelsbibel (ca. 1390-1400) zu erinnern. Diese wächst nämlich munter weiter. Aktueller Stand heute: Version 7.0.0 vom 19. September 2025. Mit dem Update sind inzwischen die Folios 1r bis 239v von den insgesamt 1214 Blättern der Bibel verfügbar.
 Wie bekannt, findet man unter "Edition" und dort unter "Folioansicht" einem zweigeteilten Bildschirm. Zu Beginn sind die beiden Bildschirmhälften zum einen mit dem Faksimile von Folio 1r und zum anderen mit dessen Transkription belegt. Daneben stehen noch eine Lesefassung und die (Beschreibung der) Illuminationen zur Auswahl. Beide Bildschirmhälften können frei belegt werden. So kann man beispielsweise unter "Faksimile" eine Buchseite betrachten (und natürlich auch hineinzoomen) und rechts daneben, auf z.B. "Illuminationen" wechseln um dort eine Gesamtbeschreibung dieser Seite, eine Beschreibung der einzelnen Miniaturen und eine Beschreibung der Marginalien dieser Seite zu erhalten. Natürlich kann man auch (z.B.) "Transkription" und "Lesefassung" nebeneinander stellen. Ganz entsprechen dem eigenen Rechercheziel.

 

Bild: Illuminationen aus einer Kopie der Wenzelsbiibel, Josef Hák via Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0 Deed


Mittelalterliche Bürsten - Von wegen dreckiges Mittelalter V

Bayreuth, 8. Oktober 2025

Warum eigentlich nicht? Lasst uns das Vorurteil vom dreckigen Mittelalter mit Bürsten aus den Köpfen kehren. Soweit die Idee. Allerdings, sind wir mit dem Ergebnis unserer Suche nicht so richtig zufrieden. Nicht nur, dass wir nur einen archäologischen Fund (1) und keine in Sammlungen erhaltenen Stücke auftun konnten, zumindest keine mittelalterlichen, ist auch noch alles andere was wir finden konnten eher spärlich und durch die Bank mindestens spätmittelalterlich. Fündig geworden sind wir dabei auch nur in der Kunst und in schriftlichen Überlieferungen. Aber lest selbst. Vielleicht helfen unsere "Funde" dem einen oder anderen von euch doch weiter.

Wie gesagt, in der Kunst. Da hängen oder liegen Bürsten in so manchen Gemälden einfach so herum. Man muss nur genau hinschauen. Auffällig ist dabei, meist liegen oder hängen die Bürsten dort wie griffbereit. Oder anders: Es wirkt, als hätte man sie gerne griffbereit. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die Bürste im Bild "Arnolfini-Hochzeit des flämischen Malers Jan van Eyck (Bild 1). Entstanden 1434. Zu sehen, rechts neben dem Spiegel, an einem Nagel hängend. Oder im 1415/25 entstandenen, "Mariä Verkündigung" des Meisters von Flémalle/Robert Campin. Dort hängt die Bürste, prominent und ebenfalls an einem Nagel, hinter der Jungfrau Maria an der Wand neben dem Kamin. Naturgemäss lässt sich aus dem Aufbewahrungsort schwerlich ableiten um welche Art von Bürste es sich jeweils handeln könnte. Auffällig ist jedoch, dass beide Bürsten flach gebunden sind. Ähnlich einem modernen Sorghum- bzw. Reißstrohbesen.

Gelegentlich findet man Bürsten dann aber doch in Gebrauch abgebildet. Zum Beispiel als Kleiderbürste im "Le Bréviaire des nobles" (1422-26) auf folio 103v, oder als Haarbürste zum Auskämmen von Kopfläusen in einer im Jahr 1491 gedruckten Ausgabe des Ortus sanitatis. Und als letztes Beispiel: In Albrecht Dürers "Frauenbad" von 1496 (Bild 2). Allerdings kann man diese Bürste nur ganz allgemein der Körperpflege zuordnen. Auffällig hier wiederum, die Bürsten scheinen allesamt rund, einem modernen (Rasier-)Pinsel ähnlich, gebunden zu sein. Soweit unsere Beispiele dazu.

Die wohl älteste Abbildung einer Bürste findet sich übrigens auf dem Folio 19r des 1336 entstandenen Oldenburger Sachsenspiegel. Dort unter der Aufzählung der Rade der Frau zu finden (2). Allerdings ohne deren Verwendungszweck zu verraten. Noch älter ist uns nur die Erwähnung einer Bürste in einem zwischen 1290 und 1300 entstandenen Gedicht des ritterbürtigen Dichters Seifried Helbling bekannt. Sie ist dort in der Aufzählung des Inventars von Haus und Hof wohlhabender Bauern zu finden (3). Darunter unter anderem: « bürsten, streler, nizkamp und schær » (4). Ob hier im Zusammenhang mit Kamm, Nissenkamm und Schere eine Haarbürste gemeint ist?

Die erstmalige Erwähnung von Bürsten bezüglich ihrer gewerbliche Herstellung, findet sich übrigens mit dem Nürnberger "pürstenpinter" Hans Schön, um das Jahr 1400 herum. In Frankfurt lässt sich dieses Handwerk erstmals um 1462 nachweisen. Ebenso, in etwa zur dieser Zeit, noch in München und Augsburg.

In ihrer eigenen Zunft organisiert findet man die Bürstenbinder aber (nachweislich) erstmals nachmittelalterlich. Um 1550 in Nürnberg und 1589 in Augsburg. Wohingegen die Bürstenbinder in München, gemeinsam mit den Ringlern, Würflern und Kammmachern in einer Zunft vereint waren (5) und in Wien gemeinsam mit den Kammmachern und in Dresden mit den Siebmachern (6).

Dabei zählten die Bürstenbinder noch bis in die Neuzeit hinein zu den handelnden Handwerkern. Das heißt, sie betrieben einerseits ein eigenes festes Ladengeschäft und beschickten andererseits die Märkte im engeren regionalen Umkreis (7).
In die Zeit der ersten Bürstenbinderzünfte fällt auch der Holzschnitt "Der Bürstenbinder" im 1568 gedruckten sogenannten Ständebuch von Jost Amman (= Eygentliche Beschreibung aller Stände auff Erden, hoher und nidriger, geistlicher und weltlicher, aller Künsten, Handwercken und Händeln). Interessant hierbei nicht nur die im Holzschnitt gezeigten, sondern auch die in der Bildunterschrift aufgezählten Arten von Bürsten. « … Kehrbürsten für die Kleider … », « … Börstwüsch für das Haußgesind », was wohl für "Borstwisch" steht und den Handfeger meint (8) und « … Bürstn damit man Gläser schwenckt », was wohl seinerseits Spülbürsten meint. Darüber hinaus darf man im Repertoire eines Bürstenbinders aber auch Kehr-, Schuh- und Kratz-, Barbierpinsel sowie Schlicht- und Tuchbereiterbürsten erwarten, um nur einige zu nennen (9).

Damit hat es sich, bezüglich der Ergebnisse unsere Recherche. Beziehungsweise mit dem was wir zum Thema "Bürsten im Mittelalter" gefunden haben. Leider ist darunter so gar nichts zum Besatzmaterial (Borsten) mittelalterlicher Bürsten. Die älteste von uns dazu gefundene Quelle ist das 1698 in Regensburg erschienene Ständebuch von Christoff Weigel (= Abbildung Der Gemein-Nützlichen Haupt-Stände Von denen Regenten Und ihren So in Friedens- als Kriegs-Zeiten zugeordneten Bedienten an, biß auf alle Künstler Und Handwercker). Darin ist von « … meistentheils Schweins-Haar oder Borsten genommen » in verschiedenen Qualitäten für verschiedene Bürstenarten die Rede.

So, das war's jetzt aber endgültig von dem was wir auftun konnten. Obwohl ... und das war ja die eigentliche Idee ... das Wenigen, das wir hier zusammengetragen haben, eigentlich schon genügen sollte, den Topos vom bedingungslos dreckigen Mittelalter aus den einen oder anderen Kopf zu bürsten.

 

Bild 1) Bildausschnitt aus: Jan van Eyck, Arnolfini-Hochzeit (1434) via Wikimedia Commons, Public domain.

Bild 2) Bildauschnitt aus: Albrecht Dürer, Frauenbad (1496) via Wikimedia Commons, Public domain.

1) Drei als Haarbürsten angesprochen Funde aus einem Brunnen in Budapest. Vermutlich aus dem 15. Jahrhundert. Siehe: Középkori kút a Budavári Szent György Téren (= Mittelalterliche Brunnen auf dem Budavári Szent György Platz) von B. Nyékhelyii, Dorottya, S. 40. URL: https://mek.oszk.hu/09300/09301/09301.pdf

2) = Der Teil, den eine Frau, soweit ihr nicht mehr zugesprochen wird, nach dem Tod ihres Mannes von ihm erbt

3) Schulz, Anne: Essen und Trinken im Mittelalter (1000–1300) S. 263

4) = Bürsten, Kamm, Nissenkamm und Schere.

5) Bock, Ernst: Bürsten und Pinsel. Bechhofen 1983. S. 85f.

6 + 7) Niederfeilner, Alexander: Vom Dorf zur Metropole des Erzgebirges. S. 68.

8) Siehe: https://www.dwds.de/wb/Borstwisch?o=B%C3%B6rstwisch. Borstwisch in: DWDS - Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

9) Reith, Reinhold (Hrsg): Das alte Handwerk - Vom Bader bis zum Zinngießer. München 2008.