Kachelofen - Kleines Update, großer Zeitsprung
Bayreuth, 19. Januar 2025
Man ist immer nur so klug, wie das letzte Buch einen gemacht hat. So das Damoklesschwert über dem Schreiber dieser Zeilen. So auch beim Thema Kachelofen. Der war nämlich davon ausgegangen dass sich Kachelöfen "nur" bis ins 10. Jahrhundert zurückverfolgen lassen. So war es dann auch auf unserer Homepage zu lesen. Bis eben jedenfalls. Denn mittlerweile haben wir nachgebessert. Zu finden HIER unter FEUER + LICHT im Kapitel HAUS + HOF.
Weshalb das Ganze? Uns ist vor kurzem eine Dissertation auf den Rechner gefallen. Nämlich: Von Kacheln und Öfen - Untersuchungen zum Ursprung des Kachelofens und zu seiner Entwicklung vom 11.-19. Jahrhundert anhand archäologischer Funde aus Freiburg im Breisgau, von von Sophie Stelzle-Hüglin. Online verfügbar auf academia.edu. Darin kann man lesen, dass bei Ausgrabungen in und um Straßburg Ofenkacheln geborgen wurden die, aufgrund der mit ihnen gefundenen Keramik, in das frühe 8. Jahrhunderte datiert werden konnten.
Die Autorin liefert auch eine mögliche schriftliche Quelle zu den Kachelöfen dieser Zeit. Namentlich, einen Gesetzestext des Langobardenkönigs Luitprand (713-744), in dem unter anderem die Löhne der Bauleute aus Commacio für bestimmte Arbeiten aufgeführt sind. Darunter auch für die Arbeit an Öfen. Und darunter auch der Lohn für einen Ofen aus 250 Töpfen/Kacheln und Öfen(!) aus 500 und sogar 1000 Töpfen oder Kacheln. Leider lässt der Text offen wofür man die Öfen nutz, in welchen solche Mengen an Kacheln verbaut wurden. Denkbar wären Back- oder Brennöfen. Ebenso eine Art Hypokaustenheizung. Vielleicht wurden aber auch einfach mehrere Öfen mit dieser Menge an Kacheln gebaut. Also zwei Öfen (!) aus 250 Töpfen/Kacheln = 500 oder vier Öfen aus 250 Töpfen = 1000.
Erfreulicherweise beschreibt der zitierte Gesetzestext daneben auch die ungefähre Gestallt der Öfen. Er spricht von drei bis vier Pfeilern (unbekannter Funktion), zählt für den Ofen 250 zu verbauende Töpfe/Kacheln. Davon 25 für die Spitze/Kuppel. Die Autorin sieht in den so beschriebenen Anlagen, auch wenn sie größer zu sein scheinen als ihre spätmittelalterlichen Nachfahren, Heizungen für Wohnräume. Allerdings wohl eher für Säle oder Baderäume den für Wohnstuben.
Auch frühe Bildquellen stellt die Autorin vor. Dazu gehört die früheste bildliche Darstellung eines Kachelofens (Bild 1). Sie findet sich in einem Würzburger Psalter mit Kalendarium, der zwischen 1250 und 59 (1) entstanden ist. Bemerkenswert ist, dass der dort auf den Kalenderblatt für Dezember (2) abgebildete Ofen scheinbar eine Feueröffnung in seinem Sockel hat. Auch hängt über dem Ofen eine Art Holz(?)konstruktion auf der wiederum Ziegel (eventuell auch Flechtwerk) zu liegen scheinen. Was zusammen wiederum an einen Rauchfang denken lässt. Damit wäre aber dann eine Stube die mit solch einem Kachelofen beheizt wird, noch nicht wirklich rauchfrei.
Möglicherweise zeigt der Maler hier auch gar keinen zum Ofen gehörigen Rauchfang, sondern versucht hier die viele Dinge des winterlichen Lebens in einem Bild zusammen zu fassen. Den warm angezogen Menschen, warme Getränke, Vorratshaltung und eben den wärmenden Ofen.
Diesem Aspekt folgend, wäre der eigentliche Kachelofen dann ein "Vorderladerofen" (Bild 2). Solche Öfen wurden noch von der Stube aus geschürt, der Rauch jedoch, zog bereits direkt aus dem Ofen durch ein Wandloch in die Küche und von dort in den Rauchfang über dem Küchenherd und weiter durch einen Schlot oder das zum Giebel offene Dach ins Freie.
Ach ja! Die erste Darstellung eines Kachelofens ohne Feueröffnung (und Rauchabzug) in der Stube zeigen aller Wahrscheinlichkeit nach erst die sogenannten "Weberfresken" im Haus zur Kunkel in Konstanz. Entstanden in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Solche sogenannten "Hinterladeröfen", wurden durch ein Schürloch von der Küche aus beschickt und entraucht. Erst sie beheizten die Stube tatsächlich komplett rauchfrei.
1) Das Münchner Digitalisierungszentrum datiert den Würzburger Psalter mit Kalendarium - BSB Clm 3900 zwischen 1260-65.
2) Monatsblatt Januar. Siehe Würzburger Psalter mit Kalendarium - BSB Clm 3900, Scan 6 von 438 auf der Homepage des Münchner Digitalisierungszentrum. Public Domain Mark 1.0.
Bild 1: Würzburger Psalter mit Kalendarium - BSB Clm 3900, Münchner Digitalisierungszentrum, Scan 6 von 438 (Ausschnittvergrösserung).
Bild 2: Vorderladerofens in der Stube des Wohnturms der Bachritterburg Kanzach.
Wachs- oder Unschlittkerzen - Kurz und knapp VI
Bayreuth, 15. Dezember 2024
Schaut mal was uns da, passend zur Jahreszeit, begegnet ist. Wachs als Rohstoff, Produkt und Handelsware - Hildebrand Veckinchusen und der Wachshandel im Hanseraum von 1399 bis 1421. Von Peter Heinz Stützel. Darin liest man, dass die von vielen Reenactors so gerne verwendete Bienenwachskerze keineswegs in den Haushalt eines mittelalterlichen Otto Normalbürgers gehörte. Vielmehr waren sie reines Luxusgut und hatten ihren Platz fast ausschließlich in Kirchen und zu besonderen Anlässen oder zur Zurschaustellung des eigenen Reichtums, auch im Zeremoniell reicher Städte und Adelshäuser. Aber auch in letzteren eher nicht oder nur selten für den alltäglichen Gebrauch. Ein Umstand der sich erst im 15. Jahrhundert ändert. Aber auch da waren Bienenwachskerzen noch teuer genug. Denn während der Rohstoff Bienenwachs in West- und Mitteleuropa naturbedingt nur begrenzt zur Verfügung stand, war der Verbrauch allein in den vielen Kirchen und den Adelshäusern des Landes immens hoch. So hoch, dass der Bedarf nicht aus der eigenen Bienenhaltung gedeckt werden konnte und deshalb, in großen Umfang, aus Nordafrika, den Schwarzmeeranrainern und Russland importiert werden musste.
Aber was beleuchtete dann die Stuben, Kammern, Flure und Keller des mittelalterlichen Otto Normalbürgers? Hier waren, die erschwinglichen, Kienspäne, Öllampen oder Unschlitt lichter bzw. -kerzen das Leuchtmittel der Wahl. Was also heissen muss, Talgkerzen müssen her. Es sei denn man steht auf das Gepansche mit den Öllämpchen und Schaftleuchtern. Nur leider sind Talgkerzen inzwischen kaum mehr zu bekommen. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.
Quelle/Literathur: Stützel, Peter Heinz: Wachs als Rohstoff, Produkt und Handelsware - Hildebrand Veckinchusen und der Wachshandel im Hanseraum von 1399 bis 1421. Inaugural-Dissertation, Erlangen-Nürnberg 2013. URL: https://open.fau.de/items/dedf7cf8-df7d-4cb1-975c-daf44521dc35. Stand 7. Oktober 2024.
Flurküchen II - Schön anzuschaun
Bayreuth/Nürnberg, 7. Dezember 2024
Schaut mal was uns da in Sachen Flurküchen zurück vor die Füsse gelaufen ist. Das Museum 22 20 18 Kühnertsgasse in Nürnberg. Uns lange bekannt, aber in Sachen Küchen völlig vom Radar verschwunden ist. Denn das Museum verfügt über gleich zwei rekonstruierte Flurküchen. Oder wie es dort heißt, Dielenküchen.
Die ältere der beiden Küchen (Bild oben) befindet sich im ersten Obergeschoss von Haus Nr. 20. Hier wurde nicht nur die bauzeitliche Küche (1434) nach Befund rekonstruiert, sondern auch der Stubenofen in der angrenzenden Bohlenstube. Dieser wurde über das Schürloch am rechten Rand der Herdplatte (im Bild verdeckt) befeuert. Darüber in der Wand, Spuren eines Backrohres (?).
Die jüngere Küche (Bild unten) befindet sich in dem im Jahre 1700 aufgestockten 2. Obergeschoss von Haus Nr. 22. Sie liegt gassenseitig im Gebäude, hat ein Fenster und liegt in einer zum Flur und Treppenhaus hin offenen Nische. Auch sie wurde nach Befund rekonstruiert. Wobei in diesem Fall Rauchfang und Schlot bauzeitliche Originale sind. Ebenso wie das Schürloch für den Stubenofen, rechts neben dem Herd.
Die drei Handwerkerhäuser in denen das Museum untergebracht ist, wurden übrigens 1377 (Haus Nr. 22) und 1434 (Haus Nr. 18 u. 20) erbaut. Nach einer wechselvollen Geschichte voller Umbauten und Veränderungen und einem unbeschadet überstandenen Zweiten Weltkrieg gerieten die Gebäude in der Nachkriegszeit zunehmend in Verfall, wurden aber dennoch 1974 unter Denkmalschutz gestellt. Glücklicherweise erwarben die Altstadtfreunde Nürnberg e.V. im Jahre 2002 die inzwischen stark heruntergekommenen Häuser, sanierten sie von 2005 an aufwendig und eröffneten 2011 darin das Museum 22 20 18.
Ach ja! Im Geschichtspark Bärnau-Tachov wurden in einem der Häuser der Baugruppe „Hochmittelalter“ mit dem Innenausbau begonnen. Dieser sieht laut den Hauspaten, neben Stube, Kammer, Werkstatt und Verkaufsladen auch eine Flurküche vor.
Flurküchen - Eins = zwei
Bayreuth, 22. November 2024
Flurküchen sind schnell erklärt. Eine Flurküche ist ein Flur in dem der Kochherd steht. In dem sich also der Arbeitsplatz Küche befindet. Fertig!
Allerdings ist ab der Mitte des 14. Jahrhunderts zunehmend und ab dem zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts allmählich durchgehend die Wohnung in den spätmittelalterlichen Stadthäusern Süddeutschlands so aufgebaut wie wir es von modernen Häusern her kennen. Man betritt das Haus oder die Wohnung über den Flur und gelangt von dort aus in alle Räume. Im Spätmittelalter sind dies Stube, Küche und Kammer(n). Dabei liegen Küche und Stube immer nebeneinander und teilen sich eine gemeinsame Wand. Der "Feuer- oder Brandwand"! Diese war zunächst tatsächlich nur eine Holzwand mit einer küchenseitig Abmauerung um das Schürloch des Stubenofens. Im Lauf der Zeit wuchs diese Ummauerung dann zu einer komplett gemauerten Wand an.
An ihr stehen, man könnte sagen Rücken an Rücken, Stubenofen und Küchenherd. Zweckmäßigerweise wird nämlich der Stubenofen durch ein Schürloch neben dem Küchenherd befeuert und entraucht. Über dem Schürloch und dem Herd hängt an der Küchendecke ein großzügig dimensionierter Rauchfang, der den Rauch beider Feuerstellen nach oben in einen Schlot oder durch den offenen Dachstuhl und Öffnungen im Giebel ins Freie leitet. So bleiben alle Räume der Wohnung, natürlich mit Ausnahme der Küche, rauchfrei. Ein sehr schönes Beispiel hierfür ist die Wohnung im Obergeschoss des kleinen Bürgerhaus aus Wolframs-Eschenbach (Grundriss siehe Bild 1), im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim (Baugruppe Stadt). Erbaut 1410 (d) und im Museum weitgehend bauzeitlich rekonstruiert.
Doch zurück zu den in Süddeutschland noch bis ins ausgehende 14. Jahrhunderts eher üblichen Stadthäusern mit Flurküche. Ihnen fehlt schlicht nur der separate Küchenraum. Stattdessen liegt der Arbeitsplatz Küche und damit auch der Kochherd, im Flur. In dem Raum, in welchen man eintritt, wenn man das Haus oder die Wohnung betreten möchte und über den ebenfalls die Stube und die Kammer(n) erreicht werden können. Dieser Raum erfüllt also gleichzeitig die Funktionen von Flur und Küche. Natürlich stehen Herd und Ofen hier ebenfalls Wand an Wand. Und natürlich findet man hier ebenfalls das Schürloch des Stubenofens neben dem Herd und über beiden einen Rauchfang.
Auch hierfür findet sich ein Beispiel im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim. Diesmal allerdings in der Baugruppe Mittelalter. Die Dachgeschosswohnung (die sog. Wohnung 2) des Badhaus aus Wendelstein von 1450 (d) (Grundriss siehe Bild 2). Auch hier wurde das Gebäude weitgehend bauzeitlich rekonstruiert. Die Dachgeschoßwohnung aber leider nur rudimentär und ohne Küchenherd und Stubenofen.
Ach ja! Bezüglich Herd und Ofen Wand an Wand. Keine Regel ohne Ausnahme. Denn es gibt sie doch. Spätmittelalterliche Häuser in denen die Kachelöfen tatsächlich nicht von der Küche aus, sondern vom Flur aus befeuert wurden. Hier sollte man dann von zwei "Feuerwänden" ausgehen. Eine hinter dem Herd in der Küche und eine um das Schürloch des Stubenofens im Flur. Und von zwei unabhängigen Rauchabzügen.
Quelle/Literatur: Bedal, Albrecht: Flurküchen, Herde, Rauchfänge im Fachwerkhaus Südwestdeutschlands. In: Klein, Ulrich; Jansen, Michaela; Untermann, Matthias: Küche Kochen Ernährung - Archäologie, Bauforschung, Naturwissenschaften. Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit, Band 19, Paderborn 2007, S. 171-182. URL: https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/mitt-dgamn/issue/view/1845. Stand 4. November 2024.
Skizzen nicht maßstabsgerecht!
d = dendrochronologisch datiert.
Fahrnis (auch Fahrhabe) - Mit Sack und Pack UND Haus
Bayreuth, 13. Oktober 2024
Auch schon mal gehört das man mittelalterliche Häuser umziehen konnte? Ganz so wie ein Möbelstück. Hä? So ein Quatsch. Wenn überhaupt, ist das „Gebäude versetzen“ doch eine moderne Praxis. In Freilichtmuseen zum Beispiel. So unser erster Gedanke. Aaaaaaber … damit lagen wir sowas von falsch. Denn tatsächlich wurden schon früh ganze Gebäude umgezogen. Zumindest Holzgebäude! Besser gesagt, sie wurden an ihrem ursprünglichen Platz zerlegt, auf Karren verladen, zum neuen Wohnort transportiert und dort wieder aufgebaut. Ganz so wie wir heute besonders große Möbelstücke zerlegen, in einen Transporter packen, zum neuen Wohnort bringen und dort wieder aufbauen.
Wie gesagt, wir wollten es nicht glauben und taten das, was wir immer tun, wenn uns etwas „unglaublich“ vorkommt. Recherchieren! Gesagt, getan. Rechner angeworfen, mit den Wörtern "Haus", "umziehen" und "Mittelalter" gesucht und sofort einen Treffer gelandet. Pack das Haus ein, wir gehen! auf www.srf.ch. Immerhin ein Anfang. Aber wie so oft im WWW, ein Anfang ohne Quellenangaben. Damit hat uns dann ein befreundeter Historiker versorgt. Such doch mal nach/mit „Fahrnis“ oder "Fahrhabe", war der kurze und knappe Tipp. Gesagt, getan. Und gefunden haben wir: Das "fahrende" Haus - Zur Mobilität des ländlichen Holzbaues in Mittelalter und Früher Neuzeit, von Gevert H. Nörtemann; Von fahrenden Häusern und wandernden Siedlungen, von Georges Descœudres und Die mobile Immobilie, von W. Haio Zimmermann. Genau das was wir gesucht haben.
Lest mal rein, es lohnt sich. Hier jetzt nur so viel: Fahrnis oder auch Fahrhabe beschreibt das bewegliche Eigentum einer Person. Darunter fallen nicht nur so naheliegende Dinge wie die persönliche Habe, Wertgegenstände, Hausrat, Vieh, Arbeitsgeräte und so weiter, sondern tatsächlich auch das Haus und gegebenenfalls die Nebengebäude. Sofern diese aus Holz errichtet waren und damit ab- und wieder aufgebaut werden konnten. Was wiederum aus Stein errichtete Gebäude ausschliesst.
In der rechtshistorischen Forschung geht man davon aus dass bereits die Germanen ihre Häuser als mobil betrachteten. So berichtet Plinius der Ältere in seiner Naturalis historia (um 50 n. Ch.) von auf Karren geladenen Häusern bei den Germanen.
Für das Frühmittelalter findet sich diese Rechtsauffassung unter anderem in der Karoli Magni notitia Italica (776 oder 781). Dort wird erläutert, dass am Ende eines Leihverhältnisses zwischen Grundherrn und Bauern das Leihgut (Land) beim Grundherrn verbleibt, aber die vom Bauern errichteten Gebäude diesem zufallen und von ihm mitgenommen werden können.
Ebenso zählt der Sachsenspiegel (1225) die (hölzernen) Gebäude zur Fahrnis. Auch hier kann also der scheidende Pächter die von ihm errichteten Gebäude mitnehmen. Allerdings muss der Pächter die Gebäude zuerst dem Grundherrn zum Kauf anbieten und erst wenn diese verzichtet, dürfen sie auch tatsächlich mitgenommen werden.
Diese Rechtsauffassung hat sich auch über das Mittelalter hinaus erhalten. Ein württembergisches Lagerbuch von 1523 bestätigt dies. Ebenso ein Spruch des Breidenbacher Schöffengerichts vom Februar 1627 um nur zwei Beispiele aus dem Gebiet des heutigen Deutschland zu nennen (1). Natürlich konnten Häuser nicht nur bei Umzug des Eigentümers, sonder auch nach Verkauf oder Erbschaft von ihren neuen Eigentümern "umgezogen" werden (2). Unnötig zu erwähnen dass es auch von dieser (wie von jeder anderen) Rechtsauffassung auch zahlreiche Ausnahmen gab (3).
Und dass Häuser auch tatsächlich versetzt/transloziert wurden und hier nicht nur die Eigentumsverhältnisse geregelt sind, ist ebenfalls vielfach dokumentiert und das nicht nur auf für das Gebiet des heutigen Deutschland (4). Und natürlich hinterlässt ein solcher „Umzug“ auch seine Spuren am Gebäude selbst, welche dann wiederum von der Archäologie erfasst werden. Ein Beispiel hierfür ist die Kantonsarchäologie Zug, der es bereits mehrfach gelungen ist, den Nachweis zu tatsächlich umgesetzten Häusern zu erbringen (5).
Bleibt noch die Frage, wie hoch der Anteil solcher "umgezogener" Gebäuden im Bestand war. Wie häufig kamen solche Translozierungen vor? Waren sie die Regel oder waren sie die seltene Ausnahme? Wohl eher ersteres, wenn man der Arbeit von Hajo Zimmermanns folgt. Die zahlreichen Beispiele die dort angeführt werden, legen das unserer Meinung nach nahe.
Ein Beispiel daraus wäre das Zitat einer Quelle, die Stadt Neuburg an der Donau betreffend. Diese litt im Mittelalter unter der immerwährend mäandrierenden Donau. Im Jahre 1212 wurde deshalb ein Teil der Stadt MITSAMT den Gebäuden verlegt (6). Die Gebäude wurden also nicht aufgegeben, sondern abgebaut/zerlegt und an geeigneterer Stelle wieder errichtet.
1) Nörtemann 1991. Bis hier, Seite 150ff.
2) Ebd. S. 156.
3) Ebd. S. 160.
4) Zimmermann 2007. S. 73ff.
5) Descœudres 2003 S. 17ff.
6) Zimmermann 2007. S. 74.
Bild: Fachwerk des Hinterhaus aus Eichstätt Im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim (Baugruppe Stadt). Das Gebäude wurde in letzet Minute vom Bauschut gerettet und 2009 (Foto) im Museum wieder aufgebaut.
… denn bishar warend sy nur tüchig gsin* - Fenster before Fensterglas
Bayreuth, 12. November 2024
Dass Glasfenster Licht ins Haus lassen, das Wetter dagegen draussen halten, ist heute eine Selbstverständlichkeit. Aber wie sah das im mittelalterlichen Haus aus? Vor allem, bevor es Glasfenster gab. Oder später dort, wo man sich Glas zunächst nicht leisten konnte oder wollte. Wie, oder besser durch was, kam das Licht durchs Fenster ins Haus?
In Freilandmuseen wird diese Frage mit Rekonstruktionen/Rekonstruktionsvorschlägen beantwortet, in deren Fensterrahmen, Leinen oder Pergament gespannt ist.
Aber worauf basiert diese Lösung? Wir haben sie eigentlich immer schon als Fakt angenommen. Frei nach dem Motto: Wird schon seine Richtigkeit haben … ist ja schliesslich Museum.
Bis zu einem (von uns fast vergessenem) Video des Archäologie-YouTubers Julian Decker ak Archäologie kurz erklärt ak IN TERRA VERITAS. Das nämlich warf bei uns die Frage auf, wenn es keine archäologischen Nachweiß gibt, worauf basieren diese Rekonstruktionen dann? Gibt es eventuell Schriftquellen? Oder ist das Ganze ein tradierter Mythos? Also haben wir uns auf die Suche gemacht. Und gefunden haben wir:
- Die Anschaffung von Leinwand für die Fenster der Berner Ratstube für 1378 (1).
- Eine Anleitung zum Anfertigen von "Fensterglas" aus Pergament, aus dem Chorherrenstift Seckau (Steiermark/Österreich) aus der Zeit um 1400 (2).
- Die Erwähnung von Leinwand für, die Fenster der Ratsstube, in den Hildesheimer Stadtrechnungen von 1410 (3).
- Fenster aus Pergament oder Tierblase 1474 in Breslau(4).
- Das in Zürich 1504 die Tuchfenster der Ratsstube durch (Glas)Scheiben ersetzt werden (5).
- Das im Konstanzer Baumeisterbuch von 1517, Leinwand für die Fenster im Rathaus abgerechnet steht (6).
- Und das 1551 die Fenster der Konstanzer Ratsstube mit neuem Tuch gemacht wurden (7).
Also ohne Wenn und Aber, Fenster die mit Leinwand, Pergament und Tierblasenhaut "verglast" waren, lassen sich zwar tatsächlich nicht archäologisch nachweisen, aber dann eben doch in den Archivalien. Wobei wir Euch hier und jetzt schuldig bleiben müssen, seit wann durch solche Fenster Licht ins mittelalterliche Haus kam.
* … denn bisher waren sie nur aus Tuch gewesen. Aussage zu den Vorgängerfenstern der ersten Glasfenster der Ratsstube in Zürich 1504.
1) Reith 2022. S. 220.
2) Dokonal u. Hofmarcher 2022. S. 1f.
3 u. 4) Kühnel 1996. S. 263.
5) Reith 2022. S. 220.
6 u. 7) Ebd. S. 221.
Bild oben: Leinwandfenster in der sog. Herberge. Geschichtspark Bärnau-Tachov, 2023.
Bild unten: Pergamentfenster im Bauernhaus aus Höfstetten. Fränkisches Freilandmuseum Bad Windsheim, 2009.
Schöner Wohnen - Frei nach Endres Tucher
Bayreuth, Bärnau, 19. August 2022.
Soeben hat uns uns ein Bild aus Bärnau erreicht. Die ersten sind schon da und die ersten Räume bezogen. Und auch wenn wir selbst bei "Vom Rasten auf Reisen" nicht dabei sein können, einiges aus unserem Equipment ist es. Als Teil der 14tes-Einrichtung der Wirtsleutekammer in der Herberge im Geschichtspark Bärnau - Tachov.
Endres Tucher hätte seine Freude daran. Schreibt er doch in seinem Baumeisterbuch der Stadt Nürnberg: « (…) item in des kochs kammer dorob dem kämmerlein ein thiesch auf 2 pocken und dorvor ein fürpanck . Item in derselben kamer ein spünpet, dorinnen ein strosack, ein pet, 1 polster, 2 küss, 2 leilach, 1 deck und ein fürpank vor dem pet. (…)» . Nah dran würd ich sagen. Aber fahrt doch mal hin und macht euch selbst ein Bild davon.
Bild: © Claudia Zimmermann
Alltag im Mittelalter - Tägliches Allerlei
Bayreuth, 29. Juli 2022
In den Tiefen des Webauftritts des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg versteckt sich ein echtes Schmuckstück. "Alltag im Mittelalter - Eine Digitalstory des Germanischen Nationalmuseums“. Kurzweilige erzählt, findet sich jede Menge wissenswertes zum alltäglichen Leben der Menschen damals. Fernab von Adel, Klerus und Patriziern. Vom Leben der, wie man heute sagt, normalen Menschen. Schaut doch mal vorbei. HIER der Link.
Bei der Gelegenheit ... der GNM_blog ist sowieso immer einen Besuch wert. Noch eins weiter, unter GNM_kids, wird sehr unterhaltsam mit dem Mythos der ach so unbeweglichen Ritter(Rüstungen) aufgeräumt. Beides, ebenso wie die Digitalstorys unter VERMITTLUNG – MUSEUM ENTDECKEN im Menü der Homepage des Museums versteckt.