GebrauchtBETTENhändler im Spätmittelalter - Kurz und knapp III
Bayreuth, 14. Juli 2024
Nur der Vollständigkeit halber! Neben den in unserem Blogbeitrag vom 8. Mai 2024 kurz angesprochenen Handel mit Altkleidern und Altschuhen, findet sich in der dabei zitierten Arbeit von Susanne Mosler-Christoph "Die Materielle Kultur in den Lüneburger Testamenten 1323 bis 1500", auch noch der Hinweis auf den Handel mit gebrauchten Betten und gebrauchtem Bettzeug. Also auch hier Secondhand. Dabei ist interessant, dass Gebrauchtbettenhandel und Altkleiderhandel scheinbar miteinander einhergingen (1). Allerdings lässt sich nicht herauslesen, ob der Altkleiderhändler dabei nur die Bettausstattung, oder auch das Bettmöbel übernahm.
Wobei mit den so vererbten Bettgestellen nicht die großen, fest eingebauten Betten gemeint waren. Diese wurden als Teil des Gebäudes angesehen und verblieben in diesem, sondern vielmehr die so genannten Tragbetten. Also Betten, die von ihrer Bauart her mobil und eben nicht fest mit dem Gebäude verbunden waren (2).
1) Mosler-Christoph 1998, S. 148
2) Ebd. S. 143f
Kleidungserwerb im Spätmittelalter - Der Mägde* neue Kleider
Bayreuth, 5. Mai 2024
Meist blickt der moderne Mensch von ziemlich weit oben herab, wenn er Magd und/oder Knecht hört. Am Hungertuch nagend, ohne Hab und Gut, rechtlos und ärmlich gekleidet. Soweit das Vorurteil zum Auftretten von Knechte und Mägde im Spätmittelalter und darüber hinaus. Doch so ganz stimmt das nicht, und vielleicht ist es an der Zeit, an diesem Vorurteil ein wenig zu rütteln … für dieses Mal, an der Sache mit der Kleidung.
Denn eigentlich waren Knechte und Mägde, wie man sie auch noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein kannte, nach heutigem Sprachgebrauch eher Angestellte. Dienstleister, fest angestellt in Haus, Hof, Handel oder Produktion. Und in jedem Fall und egal ob zum Beispiel Küchenmagd oder Fuhrknecht, gut ausgebildet und wissend was, wann und wo etwas zu tun ist, damit "der Laden" läuft, in dem sie angestellt sind. Und natürlich mit festem Einkommen. Gegebenenfalls sogar noch mit Kost und Logis im Haus des Arbeitgebers. Sie hatten also genug Geld um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Und natürlich auch für Kleidung.
Doch zurück zum Kleidungserwerb. Dieser erfolgte im Mittelalter auf vielerlei Arten. Die aus heutiger Sicht am naheliegendste, ist der Kauf (fertiger) Kleidung. Da es aber für die meisten Mägde und Knechte dann doch unerschwinglich war, Neuware bei Näherin oder Schneider zu kaufen, kaufte man eher secondhand. Im Altkleider- und Altschuhhandel. Der hatte im Mittelalter nämlich die Stellung, die heute der Konfektion zukommt (1). Man kaufte was passte und was man sich leisten konnte.
Und dass das was man dort an Kleidung kaufen konnte, durchaus auch seinen Wert und damit auch Qualität hatte zeigen indirekt die Lüneburger Testamente. Dort wird mehrfach der Verkauf von Hausrat UND Kleidung gewünscht, um das eigene Begräbnis zu bezahlen (2).
Aber zurück zum Thema! Es gab auch Fälle in denen man für den Erwerb seiner Kleidung selbst nur teilweise aufkommen musste. Da wären die Kleiderdeputate. Gezahlt als Teil des Lohns. Zum Beispiel an das Personal in wohlhabenden Adels- oder Bürgerhaushalten. Galt es hier doch in besonderem Maße, das Haus auch durch das Erscheinungsbild des Personals nach außen zu repräsentieren. (3). Auch farbenfroh und der Mode folgend, wie es sehr schön an dem Knecht, ganz links im unteren Bild zu sehen ist.
Gleiches findet man für das Personal das, wie man heute sagen würde, bei der Stadt angestellt war. Auch hier finden sich neben dem Lohn, Tuchgaben und/oder Geldzahlungen für Kleidung. Für Nürnberg als Beispiel, in den Verwaltungsämtern für den Gehilfen des Pfänders, neben dem Gehalt auch einen jährlichen Bekleidungszuschuß (4). Und unter den Ausgaben für die Ämter der Allgemeinen Verwaltung, den Posten "Die Bekleidung der Amtleute". Darunter, ausdrücklich für Bekleidungszwecke, mehrfach Tuch und einmal, eine Geldzahlung zur Anschaffung von Dienstkleidung. Dabei wurde das Tuch von der Stadt eingekauft und an Pfingsten an die Amtleute verteilt. Darunter auch Knechte (5). Auch hier ist anzunehmen, dass die Stadt auf diese Weise dafür sorgte, dass auch das Personal repräsentabel auftrat. Allerdings schweigt sich die Quelle darüber aus, wo das neue Kleidungsstück hergestellt wurde. Oder wohin man das Tuch brachte, um das benötigte Kleidungsstück anfertigen zu lassen. Näherin oder Schneider wären hier denkbar.
Neben der Zuwendung von Tuch oder Geld für Kleidung durch den Arbeitgeber, finden sich auch Zuwendungen in Form von Erbschaften. Neben Möbeln, Küchenutensilien oder Schmuck, gelangten auch Kleidungsstücke aus dem Nachlass der Herrschaft in den Besitz des Hauspersonals (6). Zwar war das den Lüneburger Testamenten folgend, eher selten der Fall, in erster Linie vererbte man an Angehörige, ist bei den Gaben an Hauspersonal auffällig, dass die vererbten Kleidungsstücke (ausdrücklich) von bester Qualität waren (7). Auch hier also, Knechte und Mägde die auf der Straße, nicht unbedingt als solche zu erkennen waren. Und dass das Hauspersonal auch mehr als das Nötigste besitzen konnte, zeigt das Testament einer 1443 verstorbenen Magd. Sie hinterließ neben ihren Möbeln auch Wertgegenstände, Barvermögen und Kleidung. Darunter auch Pelze. Ihre Begräbnisfeierlichkeit übrigens, kam denen wohlhabender Bürger nahe (8).
* und Knechte und Taglöhner und Gesellen und und und.
1+2) Mosler-Christoph 1998, S. 101
3) Rippmann 1995, S. 40
4) Sander 1902 S. 218
5) Ebd. S. 439f.
6) Mosler-Christoph 1998, S. 322 und 268
7) Ebd. S. 231
8) Rippmann 1995, S.16ff.
Bild - Altkleiderhändler: © Holger Heid
Bild - Die Geburt der Jungfrau Maria (Bildausschnitt), Oberrheinischer Meister um 1410. Strasbourg, Musée de l’Œuvre Notre-Dame via Wikimedia Commons. CC BY-SA 2.0 DEED. Stand 20. April 2024.
Pilgerzeichen II - Wohin mit dem Kram?
Bayreuth, 14. April 2024
Tatsächlich eine gute Frage. Was geschah mit den Abertausend von Pilgerzeichen, nachdem die Pilger wieder zu Hause waren? Was geschah mit den Zeichen, wenn sie nicht an Hut, Tasche oder Kleidung verblieben? Weiter getragen als äußeres Zeichen der eigenen Frömmigkeit, als Souvenir zur Erinnerung oder als Schutz vor den Unbilden des Lebens. Und wie jede gute Frage verdient auch diese eine Antwort. Und damit die einigermaßen fundiert ausfallen kann, haben wir noch einmal nachgelesen. Und gefunden haben wir:
Pilgerzeichen in Gräbern. Sie liegen dort häufig im Brust- und Hüftbereich des Verstorbenen (1). Wobei hier nicht immer zu klären ist, ob der Verstorbene auf seiner Heimreise oder später in der Heimat verschieden ist. In letzteren Fall, hätte er sein Pilgerzeichen bis zu seinem Tod getragen oder aufbewahrt.
Pilgerzeichen in Kirchen abgelegt. Tatsächlich schien es häufige Praxis gewesen zu sein Pilgerzeichen im oder am Altar zu deponieren. Ebenso im Chorraum. Galt doch der Chorraum als sakrosankt (unantastbar/unverletzlich) und somit geeignet um dort nicht benötigte religiöse Gegenstände zu verwahren. Darunter eben auch Pilgerzeichen (2).
Pilgerzeichen in Stunden- oder Gebetbüchern. Tatsächlich findet man in solchen Büchern Pilgerzeichen oder Brakteaten (Pilgermedaillen) eingenäht, die ursprünglich nicht zum Buch gehörten. Sie funktionieren dort dann gewissermaßen als Andachtsbild. Eine Praxis die seit der Mitte des 15. Jahrhundert zu beobachten ist (3).
Pilgerzeichen als Devotionalien in Haus und Hof. Hierfür sprechen gelegentlich gefundene Pilgerzeichen die auf kleinen, einem Bildstock ähnlichen und oben durchlochten Brettchen angebracht waren, welche man wohl in Haus oder Stall aufhängte. Ebenso auch Pilgerzeichen und Pilgerampullen, welche anscheinend von Nägeln durchbohrt waren und so, wohl direkt an entsprechender Stelle, in Haus oder Stall festgenagelt waren (4).
Pilgerzeichen(abgüsse) auf Kirchenglocken. Das Pilgerzeichen diente dabei gewissermaßen als Model für seinen eigenen Abguss und erweiterte so die eigentliche Verzierung der Glocke.
Ob die Pilgerzeichen dafür vom Glockengiesser oder der Gemeinde angeschafft, oder von einem Gemeindemitglied gestiftet wurden, ist unklar. Ebenso, inwieweit das abgegossene Pilgerzeichen blosses Zierrat war oder evtl. die apotropäische (Unheil abwendende) Wirkung der läutenden Glocke verstärken sollte (5).
Pilgerzeichen als Altmetall. Recycling ist keine Erfindung unsere Zeit. Nein, auch das Mittelalter kannte diese Art der Rohstoffgewinnung. Und nicht nur für Metall bzw. Zinn. Dass dabei auch Pilgerzeichen recycelt wurden zeigt eine Textquelle von 1474 und Pilgerzeichen im archäologischen Befund von metallverarbeitenden Werkstätten (6).
Pilgerzeichen in Flüssen und Hafenbecken. Hier kämen in Frage, dass sie einfach nur verloren gingen oder aber, ins Wasser entsorgt wurden. Möglich auch, dass sie bei einem apotropäischen Akt ins Wasser gelangt sind (7). Denkbar wäre ebenso, dass sie beim Verladen von Altmetall auf ein Schiff über Bord gegangen sind (8).
Pilgerzeichen zu Geld gemacht. Das lässt sich 1396 für Wilsnack-Pilger belegen. Sie hatten ihre Pilgerzeichen weiterverkauft (9). Eine Praxis die vielleicht auch in die nächsten beiden Punkte hineinspielen dürfte. Ebenso in den oben bereits erwähnten Altmetallhandel.
Pilgerzeichen als Sammelobjekt. Belege dafür finden sich in diversen erhaltenen Rechnungsbüchern. Selbst Herzöge und Könige sind dort unter den Käufern/Sammlern aufgelistet. Eine Passion der tatsächlich auch noch nach dem Thesenanschlag Luthers nachgegangen wurde (10).
Pilgerzeichen und ihr krimineller Missbrauch. Diesen zeigen Altarbilder des 15. und 16. Jahrhunderts mittels Bettlern die ein Pilgerzeichen tragen. Eine wohl tatsächliche Praxis, mir der sich die Bettler als besonders gläubig darstellen wollten. Und eine Praxis die zu einem erhöhten Misstrauen unter der Bevölkerung gegenüber Personen mit Pilgerzeichen führte. War es doch damit schwierig, den professionellen Bettler von einem wirklich bedürftigen Pilger zu unterscheiden.
Überliefert sind auch Fälle, in denen sich Kriminelle als Pilger (samt Pilgerzeichen) verkleideten, um tatsächliche Pilger zu überfallen und auszurauben (11).
1) Haasis-Berner 1999, S. 274
2+3) Haasis-Berner 2002, S.69
4) Blick 2019, S. 174
5) Haasis-Berner 2002, S.69
6) Carina Brumme 2008, S. 133
7) Döring 2012, S.28
8) Brumme 2008, S. 132
9) Haasis-Berner 2002, S. 70
10) Herbers/Kühne 2013, S. 8f
11) Haasis-Berner 2002, S. 69f
Bild oben: Große Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse), Folio 371r (Bildausschnitt). Meister Johannes Hadlaub als Pilger verkleidet, um die Gelegenheit zu bekommen, seiner Dame einen Brief an den Mantel zu heften. CC-BY-SA 4.0 DEED
Bild unten: Holztäfelchen mit zwei Pilgerzeichen. Frei nach einem Original aus Amsterdam.
Pilgerzeichen - Massenhaft und weitgereist
Bayreuth, 10. Februar 2024
Noch sowas aus unserer Sammlung. Pilgerzeichen. Sie sind allerdings nur bedingt eine Erfindung des Mittelalters. Denn die Mitnahme von Pilgerandenken, sogenannten Eulogien lässt sich bis in die Antike zurückverfolgen (1). Genauer gesagt, bis ins 4. Jahrhundert. Solche Eulogien bestanden aus Staub, Öl oder Wasser, welche in den Pilgerzentren der heiligen Orte durch Kontakt mit Reliquien geheiligt wurden. Diese wurden dort eigens für die Pilger hergestellt und üblicherweise an diese verschenkt. In großen Pilgerzentren wurden neben den Eulogien selbst auch geeignete Behältnisse für deren Transport hergestellt, welche dann, im Gegensatz zur eigentlichen Eulogie, an die Pilger verkauft wurden. Für Flüssigkeiten waren dies Ampullen aus Bleiguss oder Keramik.
Staub(eulogien) wurden dazu mit Ton vermischt und zu Medaillons geformt. Beides wurde mit szenischen Darstellungen mit Bezug zum Verehrungsort verziert. Verwendung fanden Eulogien dann in der Heimat, bei der Behandlung von Krankheiten und/oder als Schutz vor den verschiedensten Übeln.
Diese Wirkung wurde dann im 5./6. Jahrhundert, mit der da aufkommenden Bilderverehrung auf Heiligenbilder übertragen. Unter den zahlreichen erhaltenen Objekten dieser Art, finden sich auch frühbyzantinische Medaillons mit Darstellungen die man auch von Eulogien(behältern) her kennt. Allerdings enthalten sie keine geheiligten Substanzen, wurden aber dennoch ebenfalls als Devotionalien oder Pilgerandenken betrachtet (2).
Doch zurück zu den mittelalterlichen Pilgerzeichen. Auch sie werden am Wallfahrtsort erworben. Allerdings haben sie, und das ist neu, neben ihrem religiösen Charakter, primär die Funktion ihren Träger, nach außen sichtbar, als (erfolgreichen) Pilger zu kennzeichnen. Quasi auszuweisen.
Beobachten lässt sich diese Art "Ausweis", in Form der Jakobsmuschel (oberes Bild) bereits seit dem ausgehenden 11. Jahrhundert. Die hier ebenfalls gezeigten Pilgerzeichen (unteres Bild) aus einer Blei-Zinn-Legierung, sie werden in steinernen Modeln gegossen, finden sich dann ab der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts. In Deutschland wohl erst mit Beginn des 13. Jahrhundert. Diese frühen Exemplare waren in Flachguss ausgeführt. Meist mit durchgehender Oberfläche, welche die Darstellung als erhabenes Relief trägt. Etwa ab der Mitte des 14. Jahrhunderts werden diese dann von Stücken in filigranem Gitterguss sukzessive abgelöst. Bei dieser Technik trägt und bildet das namensgebende Gitter die Darstellung. Ab dem Ende des 15. Jahrhunderts finden sich dann auch noch Pilgerzeichen aus einseitig geprägtem Blech. So genannte Brakteaten (3). Ab der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts finden sich dann auch Pilgerzeichen aus Edelmetall (Gold, Silber und vergoldetes Silber). Zuerst in Frankreich und den Niederlanden. Im übrigen Europa jedoch erst um ca. 1500. Gehäuft schlußendlich im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts (4).
In die Zeit des Übergangs vom Flach- zum Gitterguss fällt übrigens auch die Blütezeit der Pilgerzeichenproduktion. Man schätzt dass im mittelalterlichen Europa an mindestens 500 Kirchen Pilgerzeichen verkauft wurden. Spitzenreiter dürfte dabei Aachen gewesen sein. Auch wenn dazu keine Daten vorliegen. Für die Wallfahrt zur Schönen Maria von Regensburg jedenfalls, stehen für die Jahre 1519 bis 1523, zehn- bis zwanzigtausend verkaufter Pilgerzeichen jährlich. Um nur eine Zahl zu nennen. Insgesamt dürften zwischen dem Ende des 12. Jahrhundert und dem beginnenden 17. Jahrhunderts, als die Herstellung von Pilgerzeichen europaweit zum Erliegen kam, viele Millionen Pilgerzeichen hergestellt worden sein (5).
Neugierich geworden? Dann empfehlen wir Euch die Publikationen zur Ausstellung "Wallfahrt kennt keine Grenzen" im Bayerisches Nationalmuseum München 1984, das Buch "Pilgerzeichen - Pilgerstraßen" von Klaus Herbers und Hartmut Kühne und natürlich, hier im Netz, die Pilgerzeichendatenbank.
Im unteren Bild links: St. Ursula, Köln, 1325-1400.
Im unteren Bild rechts: Heiltumsweisung, Aachen. 2. Hälfte 14. Jahrhundert.
1) Herbers 2013, S. 9
2) Schäfer 2018, S. 327f.
3) Herbers 2013, S. 9ff.
4) Haasis-Berner 2002, S. 67.
5) Herbers 2013, S. 11ff.